- Kultur / Politik
- Benjamin Stückelberger
Amtliches, obligatorisches Publikationsorgan der Gemeinde Meilen
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Amtliches, obligatorisches Publikationsorgan der Gemeinde Meilen
Die «Winterreihe» der Kirchen in Meilen hätte nicht eindrücklicher beginnen können. Ein grosses Lob gebührt deshalb vorab den Initiantinnen und Initianten der Reihe, Bernadette Bär, Bruna Brandl, Elisabeth Frank und Pfarrer Erich Wyss.
Was die Zuhörerinnen und Zuhörer am vorletzten Mittwoch in der reformierten Kirche unter dem Titel «Ach du liebe Zeit…!» erlebten, war ein schauspielerisches und musikalisches Feuerwerk vom Feinsten. Der Bogen der Texte spannte sich von Gottfried Keller und Peter Rosegger bis hin zu Autorinnen und Autoren der Gegenwart, unter denen Elena Ferrante, Katja Alves, Agota Kristof und Franz Hohler zu Wort kamen. Über allem aber stand der Bibeltext von Kohelet mit den spannungsgeladenen Gegenüberstellungen von positiven und negativen Aspekten der Zeiterfahrungen.
Die Schauspielerin
Eine sehr glückliche Hand hatten die Veranstalterinnen des Abends bei der Wahl der Schauspielerin Barbara Peter. Sie ist auf der Hürnen in Meilen aufgewachsen und trat nach der Matura und der Ausbildung zur Schauspielerin 25 Jahre lang auf Bühnen, in Film und Fernsehen auf. Heute arbeitet sie als Dozentin und Coach vor allem auf den Gebieten der Auftrittskompetenz und der Rhetorik.
Dank Barbara Peters Einfühlungsgabe begannen die Texte am Mittwochabend zu leben, um nicht zu sagen: aus sich selbst zu sprechen. Tempo-Unterschiede, Wechsel in der Stimmstärke und spannungsgeladene Pausen brachten eine Dynamik in die Texte, mit der die Interpretin die Zuhörenden in Bann schlug.
Der Musiker
Einen wesentlichen Beitrag zum Gelingen des Abends leistete Pfarrer Daniel Eschmann. Mit grossem Einfühlungsvermögen begleitete der Musikpädagoge und Theologe die Lesung. Seine Improvisationen, Kirchen- und Volksweisen sowie Jazzeinlagen schlugen Brücken von Text zu Text. Dabei kamen Wassertrommeln und Klangschalen, vorwiegend aber sein Saxophon zum Einsatz. Die Intermezzi ermöglichten es, dem eben gehörten Text nachzuhangen. Daniel Eschmann ging aber weiter. Er übersetzte auch Passagen aus dem Text in Musik oder spann die geweckten Gefühle weiter.
Einer der Höhepunkte war die Darbietung des Guggisberglieds, bei dem sich Barbara Peter und Daniel Eschmann an eine alte, zweistimmige Version hielten.
Erfahrungen der Menschen mit dem Phänomen Zeit
Mit knappen Kommentaren zeigte die Schauspielerin auf, welche Art von Zeitempfinden den einzelnen Texten oder Textgruppen zu Grunde lag. Mit der Lebenszeit befasste sich schon Gottfried Keller, indem er uns Menschen als Pilger durch die stillstehende Zeit gehen sah. Unsere Erinnerungen hindern für kurze Momente die Zeit am Zerrinnen. Unterschiedlich ist die Zeitwahrnehmung, wenn wir auf unsere Liebe warten oder wenn es ans Abschiednehmen geht. In seinem Gedicht «Schnäll i Chäller» zeigt Franz Hohler die Hetze, mit der heute alles geschehen muss. Die Schauspielerin folgte der Aufzählung dessen, was wir alles rasch erledigen möchten, in rasantem Tempo und liess die Endzeile «schnäll go läbe» boshaft nachhallen.
Freudvoll und leidvoll
Die Erzählung von Peter Rosegger «Als ich das erste Mal auf dem Dampfwagen sass» zeigt auf amüsante Weise die Beschleunigung auf, die mit der modernen Technik Einzug gehalten hat. In Todesangst sieht Jochem die Welt vor dem Fenster vorbeisausen, während er glaubt, der Zug stehe still. Die Frühaufsteherin Dona Generosa hat sich in einer Geschichte von Katja Alves mit dem Zerrinnen der Zeit versöhnt. Sie weckt mit lauter Radiomusik die Nachbarn auf und geht dann geruhsam wieder schlafen. Mit Schrecken stellt dagegen Adam in der Geschichte «Adam und Eva» von Marie Luise Kaschnitz fest, dass er sterben muss. Aber Eva tröstet ihn. Ihr haben die Engel all die schönen Dinge im Leben über die Mauer des Paradiesgartens zugeworfen.
Vielleicht hat manche Zuhörerin, mancher Zuhörer ein Stück davon mit nach Hause genommen.
Weitere Veranstaltungen
Weiter geht’s mit dem Thema Zeit in folgenden Veranstaltungen: Samstag, 11. Februar, Besuch im Kunsthaus.
Mittwoch, 1. März: Vortrag von Prof. Dr. Ralph Kunz zum Thema Theologie und Zeit.
Mittwoch, 8. März: Prof. em. Dr. med. Daniel Hell über Medizin und Zeit.
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