Amtliches, obligatorisches Publikationsorgan der Gemeinde Meilen
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Amtliches, obligatorisches Publikationsorgan der Gemeinde Meilen

Gelingt der Ausbruch?

Bisher war das Bezirksgefängnis Meilen an der Unteren Bruech ein Gebäude, das man als gesetzestreuer Mensch kaum von innen zu sehen bekam. Nun eröffnen sich interessante Einblicke in eine unbekannte Welt – und die Besucher sind zum Ausbrechen eingeladen.

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Leise summend schliesst sich das vergitterte Aussentor, das mit Nato-Stacheldraht gekrönt ist, und fällt mit einem dezenten Klick ins Schloss. Man steht auf einem grossen Vorplatz und blickt auf ein langgezogenes zweistöckiges Gebäude, dessen Fenster vergittert sind: Das ehemalige Bezirksgefängnis, eröffnet 1953. Es steht seit April 2022 leer.

Ausbruchsichere Zellen als Escape Rooms

«Hier draussen werden sich die Besucherinnen und Besucher besammeln», erklärt Annina Sonnenwald vom Verein «Ausbruch». Sie ist die Leiterin des Projekts, das sich am ehesten als «Abenteuer im echten Meilemer Gefängnis» beschreiben lässt, darüber hinaus aber auch den Alltag von Gefängnisaufsehern und Gefängnisaufseherinnen erfahrbar macht.

Der Einstieg in die zwei Stunden als Gefangener ist sanft. Eine Stunde vor Beginn des Abenteuers gibt es im Hof an einer vom Musikverein Meilen aufgebauten Bar etwas zu trinken, bevor die Besucher jeweils zu dritt in der Rolle von Gefangenen auf ihre Zellen geführt werden. Gut 30 ausbruchsichere Räume stehen zur Verfügung, hauptsächlich Einzelzellen, und sie sehen tatsächlich so aus wie im Film: Karg möbliert, schmal, das Fenster hoch oben, die schwere Türe mit Durchreiche-Klappe auf Brusthöhe. Und auch ohne das angeblich beruhigende Rosa an den Zellenwänden fallen die zartgelb gestrichenen Türen und all die gedeckten Farben von Taubengrau bis Lindgrün auf.

Im ersten Teil des Gefängnis-Trips sind die Besucher also in einem maximal authentischen Escape Room eingesperrt, und ihre Aufgabe besteht darin, sich innerhalb von 45 Minuten den Schlüssel zur Freiheit zu beschaffen. Dafür müssen sie Rätsel lösen, clever kombinieren und geschickt zusammenarbeiten. Tipp: letzteres nicht nur innerhalb der eigenen Zelle! Dieser Teil des Abends wurde vom Team von «the escape» konzipiert.

Auch geeignet als Filmkulisse

Wer sich befreien konnte, wird auf einen Rundgang durchs Gefängnis mitgenommen, und auch alle anderen dürfen nach knapp einer Stunde die Zelle verlassen. Insgesamt sieben Gefängnisaufseher stellen im Anschluss an den «Ausbruch» ihren Beruf, ihren Arbeitsalltag und die Räume hinter Gitter vor. Sie alle stehen voll im Beruf und haben das Projekt seit April in ihrer Freizeit erarbeitet.

An manchen Abenden mit dabei: Fritz Hösli. Der heute 64-Jährige war ab 2007 Leiter des Gefängnisses, in welchem von Juli 2007 bis Ende April 2014 Untersuchungshäftlinge einsassen, meist für die Dauer von zwei bis vier Monaten. Als letztes diente es während der Corona-Pandemie als Quarantänestation für Gefangene der Zürcher Vollzugseinrichtungen. Heute leistet Fritz Hösli Führungsunterstützung im Stab der Direktion der Untersuchungsgefängnisse des Kantons Zürich, wie es etwas umständlich heisst. Natürlich kennt er das Gebäude in- und auswendig, und es freut ihn sichtlich, dass die Zürcher Direktion der Justiz, Abteilung Justizvollzug und Wiedereingliederung JuWe, es weiter unterhält und als Schulungs- und Ausbildungszentrum für Aufseher und Betreuer nutzt. Selbst in Filmproduktionen spielte das Bezirksgefängnis Meilen schon mit.

Gefängnismitarbeiter erzählen

Die «ausgebrochenen Gefangenen» werden via Zentrale mit rund einem Dutzend Bildschirmen über Empfang, Besuchszimmer und Arrestzelle bis auf den Hof geführt, der einerseits vom Gebäude, anderseits von hohen Mauern begrenzt ist. Rot leuchtet das Graffiti eines Porsche-Cabrios an der Wand: «Das hat ein Gefangener gemalt. Das Auto hat extra kein Steuerrad, damit man damit nicht fliehen kann», sagt Fritz Hösli lachend.

Die letzte Station ist jene, die Annina Sonnenwald vom Verein Ausbruch am meisten am Herzen liegt. «Ausbruch» inszeniert seit über zehn Jahren regelmässig Gefängnistheater, etwa in der Justizvollzugsanstalt Lenzburg. Das heisst, es wird mit den Gefangenen Theater gemacht, bis hin zur Aufführung von Dürrenmatt-Stücken. Nun wird zum ersten Mal ein leeres Gefängnis zum Schauplatz, und damit rücken statt der Gefangenen die Gefängnisaufseher in den Fokus. Sie teilen ihre Geschichten aus dem Arbeitsalltag und gewähren den Besuchern einen authentischen Einblick in das Leben hinter Gittern.

«Der Beruf der Gefängnisaufseher und -aufseherinnen ist für die Bevölkerung wichtig. Sie schützen die Gesellschaft vor gefährlichen Menschen und bereiten andere auf die Wiedereingliederung vor. Deshalb geben wir ihnen eine Stimme», sagt Annina Sonnenwald. Dies geschieht nicht nur in Form der Führung durchs Gebäude, sondern – an der letzten Station – auch mit vorab produzierten Tondokumenten der sieben Aufseherinnen und Aufseher, die von ihren Erlebnissen erzählen und im Anschluss auch Fragen der Besucher beantworten – ohne Maulkorb und ganz direkt.

«Freiheit Meilenweit», 1.-30. September jeweils 19.00 – 21.00 Uhr im Gefängnis Meilen, Untere Bruech 141. Geeignet auch für Kinder ab 10 Jahren. Tickets: www.ausbruch.ch.

www.theescape.ch

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