Amtliches, obligatorisches Publikationsorgan der Gemeinde Meilen
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Das Haus in der Beugen

Es mag Leute geben, die sich wundern, dass ich mich als Ortshistoriker (und übrigens Mitglied des Heimatschutzes) noch nicht geoutet habe in der Frage, ob das ehemalige Bauernhaus in der Beugen stehen bleiben oder der geplanten Grossüberbauung «Beugenhof» weichen soll.

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Mit Thomas Boller gehe ich einig, dass eine mehrfache grosse Bausünde in die letzten Jahrzehnte zurückgeht, als sukzessive gleich mehrere Gebäude mit Vergangenheit abgebrochen, also geopfert wurden: nicht nur der besonders repräsentative und bedeutende historische «Sonnenhof» an der Ecke Seidengasse/Alte Landstrasse – ehemals stadtbürgerlicher Landsitz, Taverne, erste Postablage der Gemeinde, wo auch die Pferde gewechselt wurden –, zusätzlich bergseits das Bauernhaus Heer im «Töbeli» und seeseits gegenüber die Hufschmiede von Arnold Peter – wohl Ort auch der einstigen Mühle Obermeilen – sowie schliesslich das ehemalige grosse Nachbarhaus zum heute diskutierten Bau. Alles zusammengenommen – weitere Abrisse liessen sich zusätzlich aufzählen –, ist das, biblisch gesprochen, «der Väter Missetat», mit der aus einem geschichtsträchtigen Teil Obermeilens irreversibel ein modernes Wohnquartier entstand, wie es sie überall gibt.

Dies wirkt sich auch auf das Haus in der Beugen aus, steht es doch seitdem auf dem Schneider-Areal neben der grossen Halle als einsamer Zahn ziemlich verloren da. Ob man es mit Thomas Boller als «wunderbar» qualifizieren will, ist Ansichtssache. Es stammt jedenfalls wie etliche Häuser in der näheren Umgebung (Fischerhuus, Reblaube) wohl eher aus dem 18. als aus dem 17. Jahrhundert, und was das Charakteristischste an ihm ist – die beiden parallelen Gebäudeflügel gegen Westen – ist erst im 20. Jahrhundert dazugekommen, ist also nicht original und passt stilistisch eigentlich auch nicht zum historischen Kern des Gebäudes.

Zur Bezeichnung «Riegelhaus» im Leserbrief von Chantal Sturzenegger: Da müsste man sich erst einigen, ab wie viel Riegelanteil man ein Haus überhaupt so nennen will. Bei demjenigen in der Beugen ist er jedenfalls sehr bescheiden: Er beschränkt sich an der Ostfassade auf das Obergeschoss und an der Nordfassade auf die Giebelzone. Der Rest kennt (jedenfalls soweit sichtbar) keinen Riegel oder der stammt ebenfalls aus neuerer Zeit. «Blickfang» ist jedenfalls nur der moderne Teil.

Wie schön war ursprünglich der Anblick beider Beugen-Häuser inmitten von Wiesen und Obstbäumen, an den sich der Schreibende noch gut erinnert. Für Denkmalpflege von heute gilt, allgemein gesprochen, das Folgende: Zu erhalten sind primär ganze Ensembles und wertvolle Einzelhäuser in passender Umgebung – diese Chance ist hier längst vertan. So schwer es mir zu sagen fällt: Bei den gegebenen Randbedingungen kann man hier leider auch aus historischer Sicht nicht zwingend für den Erhalt sein. Und wenn doch, dann wäre das Resultat «öppis und doch nüüt».

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