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Erntedank ist oft ein kirchliches Fest. Dafür auf der ganzen Welt und mit einer eindrücklichen Genese gefeiert. Seit der Homo sapiens begann, seine Felder abzuernten, dürfte ein solches Fest in einem religiösen Rahmen gefeiert worden sein. Seit dem 3. Jahrhundert ist die Feier in christlichen Gemeinden belegt.
In dieser Feier danken die Christen Gott für die gute Ernte. Das mag für die urbane Bevölkerung zunehmend abstrakt wirken, ist jedoch sehr beliebt. Da jede Region eine andere Erntezeit hat, sieht der kirchliche Kalender keinen einheitlichen Tag für diese Feier vor. In Meilen treffen sogar die beiden im Titel genannten Festtage aufeinander.
Der eidgenössische Dank-, Buss- und Bettag, wie er in seiner vollen Pracht genannt wird, ist hingegen kein kirchlicher, sondern ein religiös-politischer Feiertag. Dank-, Buss- und Bettage – von der alten Kirche bereits im frühen Mittelalter gefeiert – gab es auf dem Gebiet der reformierten Eidgenossenschaft ab dem Jahr 1572, damals, um der Opfer der Bartholomäusnacht zu gedenken. 1797 (die Quellen sind sich allerdings uneins, es könnte auch 1794 oder 1796 gewesen sein) einigten sich erstmals die römisch-katholischen und die reformierten Stände auf einen gemeinsamen Bettag – aus Angst, dass der Geist der Französischen Revolution auf das Gebiet der Eidgenossenschaft schwappen könnte.
Ein Jahr später riefen die Franzosen die Helvetische Republik aus. Der gemeinsame Bettag wurde immerhin beibehalten, in reformierten Kirchen gerne mit Abendmahlsfeier.
Er dient seit seiner eidgenössischen Einführung 1848 nach den Wirren des Sonderbundkrieges als Gefäss des nationalen Selbstbewusstseins und als Zeichen staatlicher und konfessioneller Einigung. Er ist nicht nur konfessionsübergreifend, sondern auch religionsübergreifend, denn die israelitische Cultusgemeinde feiert mit. Somit ist dieser Feiertag nicht nur ein Beitrag zum interkonfessionellen, sondern auch zum interreligiösen Dialog.
Bis in jüngste Vergangenheit galt der Feiertag allerdings als Spassbremse erster Ordnung, denn nicht nur die Läden waren geschlossen, auch die Museen, Theater und Kinos. Ausserdem galt ein generelles Tanzverbot, das aber einige Untergrund-Lokale nicht davon abhielt, gerade dann Tanzveranstaltungen durchzuführen. Seltsamerweise erfreuten sich jedoch nicht wenige Menschen an diesem illegalen Tun. Der Gesetzgeber hatte um die Jahrtausendwende ein Einsehen mit den Tanzenden und hob das Verbot auf.
Ein Tag, an dem wir zu Gott beten und ihm danken, dass wir in dieser Schweiz leben dürfen, fördert ein gesundes, weil bescheidenes, nationales Selbstbewusstsein. Und die, die möchten, könnten auch noch Busse tun. Um diesen Gedankengang zu vervollständigen, lassen wir Gottfried Keller zu Wort kommen. Vor genau 150 Jahren, 1872, schrieb er in seiner Tätigkeit als Staatsschreiber ein sogenanntes Bettagsmandat: «Neigen wir uns nun alle vor dem Herrn als ein Volk, das fähig ist des Dankes für alles, was er bisher an uns getan, fähig der Reue für seine begangenen Fehler und Mißtritte, an denen es keinem unter uns mangelt.» Diesen klaren und klugen Worten aus der Feder des Dichters gibt es nichts hinzuzufügen.
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