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Amtliches, obligatorisches Publikationsorgan der Gemeinde Meilen
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Knappe drei Stunden benötigten die Meilemerinnen und Meilemer am Montag in der annähernd voll besetzten reformierten Kirche, um sich auf den Steuerfuss für 2023 zu einigen. Dank viel Eigenkapital kann sich die Gemeinde eine Senkung leisten.
Zu Beginn der «Budgetgemeinde» erinnerte Gemeindepräsident Christoph Hiller an die am 18. November verstorbene langjährige SP-Gemeinderätin Irene Ritz-Anderegg, deren Stuhl in den Reihen der Gemeinderätinnen und Gemeinderäte leer blieb. «Sie fehlt schmerzlich», sagte Hiller. Irene Ritz habe als 1. Vizepräsidentin zwölf Jahre lang bei den Sitzungen zu seiner Rechten gesessen.
Bevor sie nach einem Hirnschlag Mitte September und weiteren gesundheitlichen Komplikationen ihre Entlassung aus dem Gemeinderat beantragt hatte, hatte sie sich auf ihre Pensionierung gefreut – weil sie dann mehr Zeit haben würde für die Politik. Doch ihre Gesundheit war zu fragil. «Irene Ritz wusste um ihren Zustand, hatte aber trotzdem gehofft, aus dem Spital nach Hause zurückzukehren», sagte Christoph Hiller. Dieser Wunsch wurde ihr nicht erfüllt. Sie verstarb nach zwei Monaten im Spital. Die Meilemerinnen und Meilemer erhoben sich für eine Schweigeminute.
Die Gemeinde ist keine Bank
Die anschliessende Versammlung erwies sich als «schöne Demonstration der direkten Demokratie», wie Gemeindepräsident Christoph Hiller am Ende des langen Abends meinte, bevor er die Anwesenden weit nach 23 Uhr zum Umtrunk im «Leue» einlud. Die Ortsparteien und etliche Rednerinnen und Redner hatten mit diversen Anträgen zur Festsetzung des Steuerfusses und zur Korrektur des Budgets dafür gesorgt, dass einiges an Abstimmungs-Gymnastik auf die Stimmberechtigten wartete.
Doch zunächst durfte Finanzvorsteherin Verena Bergmann-Zogg den 383 Anwesenden ein Budget für 2023 präsentieren, das von einem Defizit von 3,86 Mio. Franken ausgeht. Angesichts des in den vergangenen Jahren angehäuften Eigenkapitals wird das prognostizierte Minus als tragbar angesehen, auch dank den anhaltend hohen Erträgen. «Wir werden bei den Ausgaben nicht sparen müssen», hatte Gemeindepräsident Christoph Hiller bereits vorher gesagt.
Verena Bergmann versicherte, sie habe bei der beantragten Steuersenkung auf 79% – nach vier Jahren mit 84% – ein sehr gutes Gefühl. Zudem zeige die aktuelle Hochrechnung für das laufende Jahr, dass der Rechnungsabschluss erneut besser ausfallen wird als budgetiert, dies vor allem dank dem Ertrag aus den Grundstückgewinnsteuern (aktuell mit 24 Mio. satte 10 Mio. Franken über Budget: «Fast schon beängstigend», wie Verena Bergmann meinte).
Im Budget 2023 wurden die Grundstückgewinnsteuern im Vergleich zum Vorjahr um 3 Mio. Franken auf 17 Mio. Franken erhöht. Für die Abgaben in den Finanzausgleich werden 37,2 Mio. Franken budgetiert. Dazu kommt ein Nettoaufwand von 83,4 Mio. Franken, in dem die Schule mit 37,5 Mio. Franken den grössten Kostenpunkt ausmacht. Dem gegenüber steht ein Ertrag von 116,7 Mio. Franken.
Sorgen bereitet nach wie vor das strukturelle Defizit, und das wird sich auch nicht ändern. Die laufenden Kosten sind nur zu einem kleinen Teil überhaupt durch die Gemeinde selbst zu steuern, und die Selbstfinanzierung wird auch in den Folgejahren sinken, was zu einem Vermögensabbau führt. Dennoch plädierte der Gemeinderat für die Steuersenkung. «Eine Gemeinde ist keine Bank», sagte die Finanzvorsteherin, «es ist nicht unsere Aufgabe, Geld anzulegen.» Stattdessen soll es investiert werden, in Dienstleistungen und Infrastruktur fliessen. Die Finanzvorsteherin machte auch klar, dass die Steuersenkung keine einmalige Sache sein soll, sondern dass man davon ausgehe, die 79 Prozent über die gesamte Legislatur 2022 – 2026 beibehalten zu können.
Anträge zu Gunsten Gymivorbereitung und Solarpanels
Unterstützt wurde der Antrag des Gemeinderats sowohl von der Rechnungsprüfungskommission als auch von FDP, SVP und Die Mitte. Die jeweiligen Parteivertreter bekräftigten dies auch nochmals vor versammelter Gemeinde, wobei Die Mitte sich mehr Informationen gewünscht hätte zum Kostenpunkt «Parkhaus-Umbau», der mit 800’000 Franken im Budget steht. Die Finanzvorsteherin hatte erklärt, es handle sich um Optimierungen, technische Aufbesserungen, allenfalls die Umrüstung auf LED sowie Anpassungen im Zusammenhang mit dem Neubau der Markthalle.
Nun begann der Reigen der Abänderungsanträge. Lea Lutz, Mutter von zwei Schulkindern, beklagte die Sparmassnahmen in der Schule Meilen, vor allem betreffend Gymivorbereitungskurse, Lager und Schulsport. Nun die Steuern zu senken, sei paradox.
Erst nach mehreren Anläufen war dann wie gesetzlich vorgeschrieben der konkrete Antrag zu einer exakten Budgetkostenstelle ausformuliert. Der Wunsch, für Gymivorbereitung und Schulsport jeweils zusätzlich eine halbe Million Franken ins Budget aufzunehmen, wurde aber abgelehnt. Auch Lukas van Puijenbroek und Markus Schoch drangen nicht mit ihrem ad hoc ausformulierten Antrag durch, in der Investitionsrechnung zusätzlich eine halbe Million Franken für Solarpanels auf gemeindeeigenen Liegenschaften vorzusehen. Sie hätten sich allerdings nicht wahnsinnig gut vorbereitet, gaben sie zu.
Massvolle Senkung statt 5 Prozent weniger
Die Grünliberalen hatten bereits angekündigt, für die Beibehaltung des Steuerfusses von 84 Prozent zu kämpfen. Roman Menzi warnte: «79 Prozent sind weder nachhaltig noch langfristig.» Es sei jetzt der ideale Zeitpunkt, um mehr Geld in Solaranlagen, Erdwärme und eine CO2-neutrale Verwaltung zu investieren.
Auch Gemeinderatskandidat – als Nachfolger von Irene Ritz – und SP-Mitglied Guido Lehmann hatte den Antrag seitens SP schon deponiert: Eine massvolle Senkung um 3 auf 81 Prozent diene der Sicherstellung von künftigen Investitionen und dem Erhalt von finanziellem Spielraum. Das ehemalige RPK-Mitglied argumentierte auch, dass eine Senkung um 5 Prozent die Boden- und Immobilienpreise befeuern würde, was zu steigenden Mieten führe. «Die aktuelle Grundstückgewinnsteuer ist dafür ein Alarmsignal», sagte er.
Roland Siegenthaler von den Grünen präsentierte seine traditionell herzigen Zeichnungen in Comics-Form, um zu illustrieren, dass es Mittel brauche, um die Energiewende zu schaffen. Die Grünen schlugen deshalb einen Kompromiss vor: 82 Prozent solle der Steuerfuss betragen.
Vom Parteilosen André Chenet, der sich von den im Jahresrückblick gezeigten Bildern von Pfannenstielturm, Zürichsee und Weihnachts-Kinderchor inspirieren liess, wurden schliesslich auch noch 80 Prozent vorgeschlagen. Man müsse an die Jugend denken.
Aufwändige Abstimmung
Weitere Redner waren Rolf Zach, der zu bedenken gab, dass eine Steuerfuss-Reduktion für die Hälfte der Meilemer gar nicht relevant sei und die Anwesenden beschwor, sich die Möglichkeit zu bewahren, bei den Investitionen Opportunitäten wahrzunehmen.
Wirtschaftsprofessor Reiner Eichenberger freute sich hingegen über den «Mut, zurückzukehren auf das Niveau, das wir hatten». Angesichts der inzwischen ungeduldig auf den harten Kirchenbänken herumrutschenden Zuhörer versicherte er aber, keinen Antrag auf 78 Prozent stellen zu wollen. An die Adresse von Guido Lehmann sagte er, die Grundstückgewinnsteuern sprudelten wegen verdichtetem Bauen und Bevölkerungswachstum und nicht wegen Spekulanten.
Inzwischen war es fast 23 Uhr geworden und somit Zeit für demokratische Gymnastik. Die mehrstufige Abstimmung über den Steuerfuss (vorgeschlagen waren 79, 80, 81, 82 oder 84 Prozent) bedingte, dass alle Anwesenden von ihren Kirchenbänken aufstanden. Zuerst wurde nacheinander über alle fünf Anträge abgestimmt. Wer seine Hand zur Stimmabgabe erhoben hatte und von den Stimmenzählern gesehen worden war, durfte sich setzen. Bei der nächsten Runde – wieder mit Aufstehen und Absitzen – fehlte jener Antrag, der am wenigsten Stimmen erhalten hatte, und so ging es weiter, bis am Ende der gemeinderätliche Antrag obsiegte, der von Anfang an immer mindestens 275 Stimmen auf sich vereinigt hatte: Der Steuerfuss wird also ab 2023 auf 79 Prozent sinken. Auch das Budget wurde genehmigt.
Meilen-Kalender zum Thema Landwirtschaft
Schon vorher hatte es zwei Abstimmungen gegeben: Sowohl die Teilrevision des Gestaltungsplans Werkheim Stöckenweid als auch die Abrechnung betreffend Umbau und Nutzungsänderung des Kindergartens Veltlin zugunsten Schülerclub FEE wurden diskussionslos und einstimmig angenommen.
Zum Schluss durfte Gemeindepräsident Christoph Hiller noch das übliche Geschenk verteilen: Den Meilen-Kalender gibt es jeweils nur für die Besucher der Dezember-Budgetgemeindeversammlung. Dieses Jahr mit Fotos der jungen Meilemerin Sabrina Pfiffner. Das vorgegebene Thema: Landwirtschaft, und zwar «beim Schaffen».
Die Motive wurden der Fotografin von Edi Bolleter vorgeschlagen und gezeigt – vom Säen bis zum Ernten und bis zur Wümmet. Dokumentarisch, illustrativ und künstlerisch seien die Bilder geworden, lobte Gemeindepräsident Hiller.
Er lud die Meilemer «am Ende eines schwierigen Jahres» in den Löwen-Saal zum Umtrunk ein – und wünschte allen einen guten Rutsch, Frieden und Gesundheit.
Legislaturziele ab Mitte Dezember
Wie inzwischen wieder üblich, fand vor der Gemeindeversammlung die Informationsstunde des Gemeinderats statt. Christoph Hiller stellte den neu konstituierten Rat vor und kündigte an, dass die Legislaturziele 2022 – 2026 (es handelt sich um 16 Ziele und 54 Massnahmen) am 16. Dezember im Meilener Anzeiger vorgestellt werden und dann auch online nachzulesen sind (www.meilen.ch – Politik – Leitsätze/Legislaturziele).
Verkehrsregime für Wärmeverbund-Bauarbeiten
Der erstmals als Tiefbauvorstand auftretende Gemeinderat Alain Chervet hatte die Aufgabe, die Vollsperrung der Burgstrasse im Zusammenhang mit dem neuen Wärmeverbund von Energie 360 ° nachvollziehbar zu machen. Das Verkehrsregime hatte zu Beginn der Bauarbeiten für Ärger gesorgt. Inzwischen haben sich die Wogen geglättet, dank der Umleitung von Kurs 922, einem kleinen Ersatzbus mit Wendepunkt Parkplatz Hallenbad und einem Entlastungsbus für die Schule, der bis Hallenbad fährt. Die nächste Bauetappe ab Mitte Januar bringt ein Lichtsignal im Bereich Burgstrasse/Ormisstrasse und auf der Bruechstrasse.
Südan- und abflüge
Diverse Bürger haben in vielen Gemeinden – so auch in Meilen – einen Standardbrief des Vereins «Flugschneise Süd – NEIN» eingereicht, in dem gefragt wird, was die lokale Behörde bisher gegen den Fluglärm unternommen hat. Die Gemeinde könne wenig tun, weil Bund und Kanton zuständig sind, sagte Gemeindepräsident Hiller. Man sei aber Mitglied im Verein Flugschneise Süd – NEIN und ergreife wenn immer möglich juristische Rechtsmittel, aktuell etwa gegen die geplanten Südabflüge.
Dorf oder Stadt?
Dieter A. Stoll wollte wissen, ob der Gemeinderat endlich sein «politisches Bekenntnis» beende, dass Meilen ein «Dorf» sei. Das sei mit 15’000 Einwohnern gar nicht mehr möglich. Auch beklagte er, dass in Meilen zu viele «Events» bewilligt würden und wollte schliesslich wissen, wie man vorgehen müsse, um statt der Gemeindeversammlung ein Gemeindeparlament zu installieren. Des weiteren erkundigte er sich nach den Kosten der Gemeinde für Inserate im wöchentlich in alle Haushaltungen verteilten Amtsblatt Meilener Anzeiger. Diese liegen jährlich üblicherweise um die 230’000 Franken.
Pläne für das KIBAG-Areal
Wie der Gemeinderat die Kosten der Verwandlung des KIBAG-Areals am westlichen Dorfeingang in einen öffentlichen Platz für Wassersport beurteile, wollte Rolf A. Zach wissen. Eine Frage, auf die eigentlich Irene Ritz geantwortet hätte. An ihrer Stelle sagte Heini Bossert, dass man «dran» sei. Zwar hätten Wassersportvereine «Ideen», der Kanton würde diese aber vermutlich nicht bewilligen. Angedacht sei eine ökologische Aufwertung. Beim Kauf der drei benachbarten Parzellen sei es auch darum gegangen, günstigen Wohnraum in den beiden bestehenden Mehrfamilienhäusern zu erhalten.
Ein kleines Geheimnis wurde an der Gemeindeversammlung in einem Nebensatz auch noch gelüftet: Hinter dem «alternativen» Weihnachtsbäumchen auf dem Bahnhofplatz steckt niemand anders als der Gemeindepräsident persönlich, wie er vor versammeltem Publikum erwähnte. Auf Anfrage des Meilener Anzeigers erklärte Hiller, die Idee sei im Gespräch mit Bürgerinnen und Bürgern entstanden. Ein grosser, beleuchteter Baum, wie er an dieser Stelle von manchen Meilemern so schmerzlich vermisst wird, ist aus verkehrsrechtlichen Gründen nicht mehr bewilligungsfähig, weil er die Sicht beim Fussgängerstreifen behindert, auch sind die Taxi-Standplätze im Weg.
Nachdem Christoph Hiller den Auftrag erteilt hatte, ein kleines, unbeleuchtetes Tännchen aufzustellen, schlug Gemeindeschreiber Didier Mayenzet vor, dass Schulkinder ihre Wünsche zu Weihnachten am Bäumchen aufhängen dürfen. Rektor Jürg Walser liess dann die Kinder wirken, und nun hängen Wünsche wie «Friede», «Glück» oder auch – passend zur Wohlstandsgesellschaft – «viele Geschenke» an den Ästen.
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