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Zu den besonderen Anlässen im Rahmen der Winterreihe beider Kirchen in Meilen gehört traditionell ein Besuch im Zürcher Kunsthaus.
Einmal mehr begeisterte Madeleine Witzig mit ihrer äusserst kundigen und unterhaltsamen Führung am letzten Samstag die zahlreichen Besucherinnen und Besucher.
Der Chipperfield-Bau
Die Führung beschränkte sich nicht auf Erklärungen zu Bildern. Immer wieder wies Madeleine Witzig auf Besonderheiten des neuen Chipperfield-Baus hin, in dem der zweistündige Rundgang stattfand. Die Rede war von raffinierter Lichtführung, von ausgeklügelter Heizung und Kühlung sowie von architektonischen Bezügen zum Moserbau. Zu entdecken sind etwa die handgeschliffenen Steine der Brüstungen oder die goldig glänzenden Türen und Nischenwände aus Messing.
In der Sammlung Bührle
Der Rundgang selbst begann in der Bührle-Sammlung, und zwar beim berühmten Bild Renoirs «Die kleine Irene» von 1880. Es handelt sich um das Porträt der achtjährigen Irène Cahen d’Anvers. Madeleine Witzig wies auf die Elemente des Impressionismus im Bild hin. Was besonders faszinierte, war aber ihre Schilderung des Weges, den das Werk genommen hat. Edmund de Waal hat in seinem Buch «Camondo» 2019 darüber berichtet. Die porträtierte Irène hat später den reichen Juden Moise de Camondo geheiratet, der zur Pariser Haute Volée gehörte. Ihre Tochter Beatrice liess das Bild vor dem Einmarsch der Deutschen in Sicherheit bringen. Aber Hermann Göring konfiszierte es. Die Alliierten gaben das Bild an die Familie zurück, welche das Gemälde 1946 an Emil Georg Bührle verkaufte.
Zeiten und Zeitsprünge in der Kunst
Das Thema «Zeit», das der Winterreihe zu Grunde liegt und auf das die Führerin öfters hinwies, wurde beim Vergleichen der Bilder von Albert Cuyp «Gewitter über Dordrecht» und Manets «Die Schwalben» überdeutlich. Im Bild von 1645 herrscht detailgenaue Realität, in jenem von Manet aus dem Jahr 1873 lösen sich die Figuren im Vordergrund auf.
Ein Zeitsprung führte zur berührenden Schutzmantelmadonna aus der Zeit um 1500, die ihr Kind ganz bewusst den Menschen präsentiert. Rätselhaft dann das Gesicht Mariens bei der Pietà aus der Zeit um 1340. Der Übergang vom Mittelalter zur neusten Zeit führte vorbei an Francis Picabia und seinem dadaistischen Stillleben, das einen aus Trinkhalmen, Zahnstochern und Schnur konstruierten Blumenstock darstellt.
Mitdenken in der Sammlung Looser
In der Sammlung Looser zeigte Madeleine Witzig an den Werken «Die Rache des Achilles» und «Winterpassage» von Cy Twombly sowie an Willem de Koonings «Triptychon» auf, wie moderne Werke bei verweilendem Betrachten in uns Gedanken, Assoziationen und Gefühle wecken. Dasselbe gilt für John Chamberlains «Archaischen Strohmann», der aus Autowrackteilen besteht, und für das verbogene Ölfass des Künstlers mit dem Titel «Steckdosen-Grau».
Gabriel Orozcos «Cazuelas», eine riesige Ansammlung runder Tongefässe, kann Gedanken an Totenkult, an Planetensysteme, an die menschliche Gemeinschaft oder an einen arabischen Markt auslösen. Selbst das riesige Gemälde mit nichts anderem als zwei senkrechten gelben Streifen vermag – aus der Nähe betrachtet – die Phantasie anzuregen.
Urs Fischers «Grundstein» spielt mit Materialien. Eine Chaiselongue, auf der eine Karotte liegt, wurde gemäss dem Wunsch des Künstlers bei der Grundsteinlegung nicht im Boden vergraben. Sie erweckt den Eindruck, eben aus Ton geformt zu sein, erweist sich aber bei genauerem Betrachten als ein Werk aus Bronze.
Ein Fest der Farben
Eine völlig andere Welt öffnete sich der Gruppe in der Sammlung Merzbacher. Beim Eintritt in den Saal tauchte man in eine eigentliche Farb-Orgie ein. Die Werke reichen von der impressionistischen über die fauvistische und die expressionistische Malerei bis in die neuste Zeit hinein. Die Sammlung nahm ihren Anfang beim Grossvater von Werner Merzbachers Frau Gabriele, einem Pelzhändler. An einzelnen Bildern von Kandinsky, Kirchner und Matisse zeigte Madeleine Witzig auf, wie die Formen vom Funktionalen ins Symbolische hinübergleiten und wie die intensiven Farben sich bei genauem Betrachten in Klänge auflösen können.
Die Führung erreichte ihren Höhepunkt und Abschluss im Besuch von Pipilotti Rists «Pixelwald Turicum», einer ungemein anregenden Licht- und Klanginstallation, die wegen ihres zauberhaften Reizes zum Ausruhen und zu einem nächsten Besuch verlockt.
Weitere Veranstaltungen
Weitere Veranstaltungen zum Thema «Zeit»:
Mittwoch, 1. März: Vortrag von Prof. Dr. Ralph Kunz: «Theologie und Zeit».
Mittwoch, 8. März: Prof.em. Dr. med. Daniel Hell zum Thema «Medizin und Zeit».
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