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Vor 60 Jahren: Ein Film über die Turnhalle Dorf

Die Turnhalle Dorf dürfte inzwischen nicht nur den Meilemerinnen und Meilemern bekannt sein, die dort ihre Schul- oder Vereins-Turnstunden absolviert haben, sondern auch allen, die sich kürzlich darin gegen das Coronavirus impfen oder boostern liessen. Jetzt ist ein Film aufgetaucht, in dem die Halle die Hauptrolle spielt.

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Der 26-minütige Schwarzweiss-Streifen wurde 1961/62 gedreht, als die Turnhalle gebaut wurde. Wer ihn gemacht hat, weiss man nicht, doch wer ihn aufbewahrte, ist klar: Es war Lehrer Hans Pfenninger, der 1941 bis 1963 in Dorfmeilen unterrichtete. Sein Sohn Hannes, heute 71-jährig, fand im Estrich des Elternhauses an der Schwabachstrasse die 16mm-Filmspule, liess den Film, zu dem keinerlei weitere Informationen vorliegen, digitalisieren und schenkte ihn dem OMM.

Die Halle von 1891 genügte nicht mehr

Die erste Szene zeigt Schulkinder – die Mädchen tragen Zöpfe –, die aus der alten Turnhalle strömen und fröhlich in die Kamera winken. Der Abbruch der alten und die Erstellung einer neuen Halle wurde offensichtlich als erfreuliche, fortschrittliche Entwicklung wahrgenommen.

Im dringlichen Baufreigabegesuch vom März 1961, das die Schulgemeinde Meilen als Bauherrin an die Volkswirtschaftsdirektion des Kantons Zürich stellte, hiess es: «Die alte Turnhalle aus dem Jahre 1891genügt seit langem den Anforderungen des neuzeitlichen Turnbetriebes in Schule und Vereinen nicht mehr.» Beklagt wurden vor allem die schlechte Belüftung und zu wenig Platz. Ausserdem wurde auf die starke Bevölkerungszunahme und die dadurch bald entstehende Schulraumnot hingewiesen.

Ein ganz neuer architektonischer Stil

Die alte Halle stand längs der Schulhausstrasse und war 1928 bereits um eine Garderobe und einen Geräteraum erweitert worden. Schmuck war sie zweifelsohne mit ihrem Giebeldach und den eingefassten Fenstern. Und sie passte zu den Häusern der Umgebung, fügte sich nahtlos in die heimelige Silhouette der umliegenden Gebäude.

Mit der neuen Halle kam Anfang der 1960er-Jahre etwas architektonisch ganz Neues in den Dorfkern: Im Film wirken die entstehenden Flachdachgebäude des renommierten Architekten Hans von Meyenburg, Zürich, fast wie ein in der Ortsmitte gelandetes UFO.

Das war auch der Baukommission Meilen aufgefallen. Sie schreibt in ihrer Baubewilligung: «Gemäss Art. 26 BO sind für Hauptgebäude grundsätzlich nur Sattel- und Walmdächer zulässig.» Ausnahmen gebe es in der Regel nur in neu überbauten Gebieten. Dem vorliegenden Objekt sei aber von der Gemeindeversammlung zugestimmt worden und es handle sich um reine Zweckbauten, deshalb sei ihm die Baubewilligung zu erteilen.

Aufbruchstimmung an der Gemeindeversammlung

Ortshistoriker Peter Kummer erinnert sich an die erwähnte Gemeindeversammlung: Sein ehemaliger Nachbar sei der einzige gewesen, der aufgestanden sei und sich gegen das Projekt ausgesprochen habe, mit der Begründung, das Flachdach passe nicht zu Meilen. Ansonsten habe aber wohl Aufbruchstimmung geherrscht.

Abgesehen von der Turnhalle wurde auch der Kindergarten neu erstellt. Im Film ist zu sehen, wie das alte Chindsgi-Provisorium, ein Holzpavillon von 1948, kurzerhand auf ein Podest und auf Schienen gestellt und um rund 80 Meter nach Osten verschoben wurde. Dort stand es noch mindestens weitere zwanzig Jahre und diente als «Centro» der italienischen Community als Vereinslokal.

Abenteuerliche Bauarbeiten

Italiener dürften es wohl auch vorwiegend gewesen sein, die Turnhalle und Kindergarten für die Meilemer neu bauten. Auf Gerüsten und Leitern, bei denen sich heute allen Sicherheitsexperten die Haare sträuben würden, ohne Helme und ohne Handschuhe schleppen sie Eimer mit Bitumen, giessen Beton, schweissen Metall und versiegeln das Flachdach, meist mit einer Zigarette im Mundwinkel und einer Dächlikappe auf dem Kopf.

Der Film endet, leider, vor Abschluss der Bauarbeiten. Beim Stand Abdichtung der Flachdächer ist dem Filmer die Lust oder das Material ausgegangen.

Die Turnhalle bekam dann übrigens doch noch ein Walmdach: 1983 wurde es anlässlich einer Renovation aufgesetzt, weil die Wärmedämmung verbessert werden musste.

Sammlung: Das Ortsmuseum sucht Material 

Das Ortsmuseum dokumentiert die Ortsgeschichte und sammelt, bewahrt und erschliesst Meilemer Kulturgut. Gesammelt werden ortsgeschichtliche Unterlagen wie Karten, Tagebücher, Schriftstücke, Kunstwerke, Fotografien und in Meilen hergestellte oder verwendete Objekte.

Angesprochen sind Private, Vereine, Gewerbler: Wenn Sie dem Ortsmuseum Ihre Kulturgüter übergeben möchten, dann melden Sie sich bitte unter Telefon 044 923 47 27 (Dienstag und Mittwoch) bei der Kuratorin oder via Mail bei info@ortsmuseum-meilen.ch.

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