Amtliches, obligatorisches Publikationsorgan der Gemeinde Meilen
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Von Zeit und Ewigkeit

Im Rahmen der Winterreihe der beiden Kirchen in Meilen sprach am 1. März Theologieprofessor Dr. Ralph Kunz von der Universität Zürich zum Thema «Alles hat seine Zeit. Warum Ewigkeit nicht langweilig ist».

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Mit seiner humorvollen, lebendigen Art traf Ralph Kunz die Zuhörerinnen und Zuhörer im Innersten. Im Innersten – so der Vortragende – macht sich denn auch jeder und jede eine eigene Vorstellung von Gott. Der christliche Glaube versteht es als eine Einladung, seine eigene Gottesvorstellung im Licht der biblischen Vorstellung Gottes zu prüfen.

Professor Kunz blieb in seinem Referat keineswegs im Vagen. Seine Ausführungen waren allerdings so dicht, dass man ihm gern drei Abende dafür eingeräumt hätte. Hier können denn auch nur einige wenige Fixpunkte zur Sprache kommen.

Zeit aus dem Blickwinkel der Philosophie

In einem ersten Teil des Vortrags zeigte der Referent auf, dass nur wir Menschen das Phänomen Zeit kennen. Wir sind Stoff, und jeder Stoff, auch das Weltall, zerfällt und ist demnach endlich. Ein Gang durch die Philosophie zeigt, dass schon Heraklit ungefähr 500 Jahre vor Christus festhielt, dass wir in einem Fluss nie in dasselbe Wasser steigen können. Wir bleiben zwar dieselben, können aber im Fluss der Zeit höchstens mitschwimmen und ihm nie bewusst entgegengehen. Nur in der Phantasie können wir die Zeit überwinden, können in der Fantasy-Literatur zurückgehen und mit Science Fiction Entwicklungen vorwegnehmen.

Wir teilen die Zeit gern in Zeitalter wie etwa Antike, Mittelalter und Neuzeit auf. Unser Kalender ist durch die Unterteilung in die Zeit vor und nach Christus geprägt. Wir unterscheiden klar zwischen der technisch messbaren und der empfundenen Zeit, die lustvoll und kurz oder langweilig und lang sein kann.

Das Zeitverständnis in der Bibel

Beim Gang durch die biblische Zeit kam der Referent auf das sprichwörtlich hohe biblische Alter Methusalems zu sprechen, der 969 Jahre alt geworden sein soll. Offenbar gelangten so hohe Zahlen unter babylonischem Einfluss ins Alte Testament. Ein zentraler Unterschied zwischen der babylonischen Überlieferung und der Bibel besteht allerdings darin, dass die mythologischen Könige Babylons göttlicher Herkunft, die alten Männer der Bibel hingegen gewöhnliche Sterbliche sind. Göttliches und Menschliches wird dabei nicht vermischt.

Erstaunlich ist, dass das Alter von 1000 Jahren nie überschritten wird. Dort liegt offenbar die Grenze zwischen dem menschlichen Leben und Gott. Von dieser Grenze erzählt auch die Paradiesgeschichte. Gott hat Adam und Eva aus dem Paradies verbannt, bevor sie die Frucht vom Lebensbaum essen konnten, die ihnen ewiges Leben beschert hätte.

Eine interessante Interpretation fand der Referent für die Sintflut. Der biblische Autor deutete an, dass Gott mit seiner Schöpfung unzufrieden war. Er wollt die Welt, die mit einem Brudermord startete, bis auf einen Rest austilgen. Das «Saatgut» für den Neustart überlebte die Flut in der Arche. Ob der zweite Versuch besser gelungen ist?

Des Menschen Hoffnung ist sein Himmelreich

In einem dritten Teil kam der Referent auf die ungelöste Frage zu sprechen, ob der gottesfürchtig Lebende wirklich wie ein Baum am Wasser Frucht bringt. Lebt nicht der Ungerechte oft ein langes Leben, während der Gerechte jung stirbt? Diesen negativen Erfahrungen zum Trotz bleibt Gott den Menschen treu. Im Idealfall führt das zu einem langen, erfüllten Leben: eine Hoffnung, die er uns geschenkt hat.

Ein neues Zeitverständnis

Das Neue Testament bringt eine ganz andere Sehweise ins Spiel. Jesus weist auf die Lilien des Feldes hin, die weder säen noch ernten und dennoch herrlich gekleidet sind. An die Stelle von Sorge und Ängsten um unser Leben tritt ein radikales Gottvertrauen. Das Leben, Sterben und die Auferstehung Jesu bringt diese neue Dimension von Zeit ins Spiel. Nicht mehr eine lange, erfüllte Lebenszeit steht im Zentrum, sondern die Wiederkunft Christi, das Anbrechen der Ewigkeit. Und diese Ewigkeit besteht im Vertrauen des Menschen, dass der Ewige uns nahe ist, ja, dass Er in uns wohnt, Er, der «allein der Ewge heisst», wie wir im Lied von Jochen Klepper singen.

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