Amtliches, obligatorisches Publikationsorgan der Gemeinde Meilen
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Amtliches, obligatorisches Publikationsorgan der Gemeinde Meilen

Von Schlachten, Schwyzerhüsli und Gaskesseln

Die «Dorfrundgänge», organisiert von der Vereinigung Heimatbuch Meilen, sind immer ein interessanter und lehrreicher Genuss. Am letzten Samstag wurde der Ortsteil Obermeilen erkundet.

Die Gruppen machten auch Halt an der Seidengasse 54: Das Haus zum Wiesental wurde Ende 18. Jahrhundert errichtet und hat seit 1828 seine heutige Gestalt. Foto: MAZ

Genau 140 Audiosysteme für 140 angemeldete Dorfrundgänger warteten am Samstagmorgen in der Rorenhaab neben dem «Ländeli» auf die Gäste. Es reichte dann doch nicht ganz für alle Ohren, weil noch Spontane und Kurzentschlossene zu den vier Gruppen stiessen. «Aber ich habe ja ein gutes Organ», meinte der ehemalige Gemeindepräsident Hans Isler schmunzelnd, der sich die «Führungsarbeit» mit Roman Schmucki teilte. Auch bei den anderen drei Gruppen lotsten jeweils zwei Erzähler durch Obermeilen: Susy Brupbacher und Ruedi Pfenninger, Kathrin Eggenberger und Alain Chervet sowie Francesca Carabelli und Werner Wunderli, letztere beide für Nicht-Schweizerdeutschsprechende.

Ein Scharmützel im Rebberg

21 Kapitel umfasste der gut dreistündige Spaziergang bei angenehmem, eher kühlem Wetter, so dass die Aufmerksamkeit bis zuletzt gross war. Es gab ja auch viel Interessantes zu erfahren, so zum Beispiel inmitten eines Rebbergs, der heute der Familie Schwarzenbach gehört und sich nördlich des Eisenbahnerwegs erstreckt.

Hier stand im Mittelalter nämlich eine Letzi, eine Landwehr oder Mauer, bei der 1354 die «Schlacht bei Meilen» stattfand, von der wir dank einem Bericht aus der Chronik der Stadt Zürich wissen. Auslöser für das Scharmützel war einer der vielen Konflikte zwischen Rapperswil und der Stadt Zürich, und dass das Gefecht wirklich stattgefunden hat, bewiesen spätere Funde von menschlichen Gebeinen beidseits entlang des Verlaufs der Letzi…

Johannes Aeppli und die Pfahlbauten

Sehr viel heutiger präsentierte sich das direkt anschliessende Quartier südlich des alten Schulhauses. Roman Schmucki, von Beruf Architekt, stellte das Gebiet zwischen Seestrasse und Bahnlinie vor. Es war lange unbebaut, bis 2006 die neue Johannes-Aeppli-Strasse erstellt wurde, und heute wird nun die letzte Lücke mit dem «Hus Palstek» geschlossen, das sich in Bau befindet. Palstek heisst ein bekannter Seemannsknoten, und tatsächlich befindet sich in Gehdistanz der Obermeilemer Hafen beim «Hirschen».

Der Lehrer Johannes Aeppli wurde berühmt als der Mann, «der 1864 die ersten Pfahlbauten in Obermeilen entdeckte», wie eine Gedenktafel am alten Schulhaus beschreibt. Genau genommen waren es seine Schüler, doch Aeppli erkannte die Bedeutung der seltsamen Gegenstände, die er dem Zürcher Historiker Ferdinand Keller zeigte. Der Rest ist Weltgeschichte: Die Rorenhaab ist seit 2011 offizielles UNESCO-Weltkulturerbe, denn die Funde erwiesen sich als bis zu 5000 Jahre alte Zeugnisse der «Pfahlbauer». Heute spricht man neutraler von «voralpinen Ackerbauern und Viehzüchtern in Seeufer- oder Feuchtbodensiedlungen».

Unterricht vor 100 Schülern

Auch beim hübschen Schulhaus im Stil eines Bauernhauses gab es einen Halt: Im Entstehungsjahr 1834 unterrichtete hier ein einziger Lehrer nicht weniger als 91 Schüler der ersten bis sechsten Klasse, auch Lehrer Aeppli stand jeweils vor bis zu hundert Schülern. Gemeindepräsident Christoph Hiller kramte in seinen Erinnerungen: Im Schulhaus besuchte er 1966 den ab 1942 bestehenden Chindsgi. Heute befindet sich der Schülerclub Obermeilen in den Räumen.

Unter der Bahnlinie hindurch spazierten die vier Gruppen dann vorbei am Haus Buchli (1812 mit Natursteinfassade erstellt) an die alte Landstrasse mit dem schönen Haus Brunner (1824), dem «Schwyzerhüsli» im Schweizer Holzstil (1900, ein frühes Serienfabrikat, das mit seinen Laubsägeliarbeiten auch in Russland und in den USA erstellt wurde) und mit der Alten Sonne (1839), wo jeweils die Suuserchilbi stattfindet. Das repräsentativste Gebäude im Obermeilemer «Oberdorf» ist das Haus zum Wiesental, errichtet Ende 18. Jahrhundert. Hier wohnte einst der Meilemer Gemeindepräsident Emil Gubelmann (1879-1950), der auch Weinbauer war und die Fähre Horgen-Meilen mitbegründete.

Der Pavillon stand am See

Via Seidengasse und über schmale Wege und weitere Stationen ging es dann zur Grossbaustelle Beugenhof der Schneider Umweltservice AG, wo Bauvisiere die zukünftigen 16’000 Quadratmeter Nutzfläche bereits erahnen lassen. Der einsame Holzpavillon auf dem Platz sei einst von Bruno Schneider «gerettet» worden, erfuhren die Rundgänger, ursprünglich habe das Häuschen am See gestanden. Der Zwischenruf «das stimmt, ich sass dort jeweils zum Schmusen mit meinem Freund» einer Zuhörerin sorgte für Gelächter.

An der Socar-Tankstelle liess Hans Isler vor dem geistigen Auge der Zuhörer die beiden grossen und gut sichtbaren blaugrauen Gaskessel auferstehen, die sich bis 1982 an dieser Stelle befanden. Das Gaswerk in Obermeilen versorgte jahrelang die halbe Goldküste mit Gas, das aus Kohle produziert wurde. Der obere Rand der kreisrunden Kessel lag jeweils je nach Füllungsgrad höher oder tiefer im Gestänge.

Via Yachtwerft Portier, Hirschen, Rathaus und Reblaube schloss sich dann langsam der Spazierkreis.

Eine Kapelle in Obermeilen

Dass sich schräg gegenüber der Reblaube einst eine Kapelle befand, die 1477 erstmals als «Heilig Hüsli» erwähnt wurde, wusste wohl kaum jemand. Abgebrochen wurde sie 1906, weil sie nach dem Bau der Wetzikon-Meilen-Bahn, deren Geleise in der heutigen Seestrasse lagen, zum Verkehrshindernis geworden war. Auch andere Liegenschaften wurden damals abgebrochen, versetzt oder verkürzt.

Zum Abschluss gab es im überdachten Platz beim Werkhof der Gemeinde einen Apéro, und gleichzeitig fielen die ersten schweren Regentropfen aus den grauen Wolken – perfektes Timing!

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