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Je nach Wetter beginnen Ende April oder Anfangs Mai die Rehgeissen, ihre ein bis drei Kitze zu gebären. Dabei wählen sie gerne offenes Grasland.
Der Grund dafür: In den ersten Lebenswochen folgen die Kleinen nicht der Mutter, sondern legen sich ruhig an einem Ort hin und werden von der Mutter nur aufgesucht, um von ihr gesäugt zu werden. Für die Kitze ist dies energetisch sinnvoll, denn zunächst gilt es, genügend Reserven für das weitere Leben aufzubauen. Da Kitze nur wenig Eigengeruch haben, wird es Beutegreifern zusätzlich erschwert, sie zu finden.
Was sich in der Natur seit geschätzten 2,5 Millionen Jahren bewährt hat, wird im landwirtschaftlich geprägten Raum zur Gefahr, denn die Kleinen flüchten nicht vor herannahende Mähmaschinen, sondern sie bleiben regungslos liegen. Selbst im Alter von drei bis vier Wochen sind sie noch nicht in der Lage, einer Mähmaschine sicher zu entkommen.
Alternative zum Verblenden und Verstänkern
Deshalb engagiert sich die Jagdgesellschaft Meilen wie viele andere auch in der Rehkitzrettung. Traditionell hat man früher die zu mähenden Felder am Vorabend verblendet, das heisst mit über Stangen gehängte Säcke oder Fahnen versehen in der Hoffnung, die Rehgeissen würden diese als Bedrohung wahrnehmen und ihre Kitze im Schutz der Nacht in Sicherheit bringen. Eine weitere Methode ist das sogenannte Verstänkern, das Ausbringen von Duftstoffen, die ebenfalls so wirken sollten. Auch wurden die Felder mit gehorsamen Hunden abgesucht. Seit ein paar Jahren stehen glücklicherweise mit Wärmebildkameras ausgerüstete Drohnen zur Verfügung, die mehr Erfolg versprechen.
Alle Methoden sind aufwändig
Sämtliche Methoden haben gemeinsam, dass sie sehr arbeitsintensiv sind. Bei den traditionellen Methoden müssen alle Felder zu Fuss abgeschritten werden; bei der Suche mit der Drohne beginnt die Arbeit zu Hause am Computer. Dabei werden die gemeldeten Felder in einer vom gemeinnützigen Verein «Rehkitzrettung Schweiz» entwickelten Software erfasst und den zur Verfügung stehenden Drohnenpiloten zugewiesen, welche dann die Flugrouten, die -höhe und -geschwindigkeit für die verwendete Drohne programmieren. Ist diese Arbeit getan, wird der Wecker auf 4 Uhr gestellt, und ab 4.30 Uhr wird geflogen, da die Wärmebildkameras am besten funktionieren, wenn noch keine direkten Sonnenstrahlen die Felder aufheizen.
Wird in einem Feld eine verdächtige Wärmesignatur geortet, machen sich zwei mit Kisten und Fahnen ausgerüstete Jäger auf, um den Verdachtspunkt zu inspizieren. Nicht immer sind es nämlich Rehkitze, welche geortet werden, häufig sind es auch im Feld liegende Steine, Dachsbauten, Katzen oder Füchse. Wird ein Kitz gefunden, wird es, wenn es noch genügend jung ist, in einer Kiste gefangen und als Schutz gegen die Sonne mit Gras bedeckt. Danach wird die Kiste mit der Fahne markiert, damit der Landwirt drumherum mähen kann.
Drohnen für Profis
Unmittelbar nach dem Mähen wird das Kitz dann wieder befreit. Sind die Tiere schon etwas älter und lassen sich nicht mehr fangen, müssen sie zuverlässig aus dem Feld getrieben werden. Dies birgt aber immer die Gefahr, dass sie, wenn Ruhe eingekehrt ist, wieder in dasselbe Feld zurückkehren. Sicherheitshalber muss man in einem solchen Fall kurz vor dem Mähen das Feld mit Hunden absuchen. Oft stossen die Helfer tatsächlich erneut auf die Kitze, welche dann nochmals aus dem Feld getrieben werden.
Die eingesetzten Drohnen sind übrigens keine Kinderspielzeuge: Eine Drohne mit Ersatzbatterien, Bildschirmen und weiteren Ausrüstungsgegenständen kostet gut und gerne 10’000 Franken. Zwar erhalten die Drohnenpiloten unter anderem vom Bauernverband eine Zuwendung, aber das deckt die Kosten nicht annähernd.
Zwölf Rehkitze gerettet
Von Anfangs Mai bis Ende Juni hat die Jagdgesellschaft Meilen zusammen mit den Meilemer Drohnenpiloten Herbert Böhler und Remo Kohler an 16 Einsatztagen mehr als 100 Felder abgeflogen und dabei eine Fläche von über 160 ha abgesucht. Zwölf Rehkitze konnten gerettet werden. Leider sind aber auch zwei Kitze vermäht worden. Ein Kitz wurde getötet, weil zwischen dem Abfliegen und dem Mähen offensichtlich eine Rehgeiss genau in ein Feld gewechselt war, in dem zuvor nichts gefunden wurde. Immerhin hat dies der Bauer bemerkt, und so konnte das Geschwisterchen erfolgreich vertreiben werden. Ein anderes wurde schlicht von der Drohne nicht erkannt. Da es in der betreffenden Nacht während einer halben Stunde stark geregnet hatte, wurde das Gras heruntergedrückt, und so war es für die Kamera nicht möglich, das Tier zu sehen. Wie man sieht, ist auch diese Methode nicht fehlerfrei, aber sicherlich die beste, die derzeit zur Verfügung steht.
Die Jagdgesellschaft Meilen möchte sich ganz herzlich bedanken: bei den Landwirtinnen und Landwirten für ihr vorbildliches Melden der Felder und bei den beiden Meilemer Drohnenpiloten Remo Kohler und Herbert Böhler für den keineswegs selbstverständlichen und freiwilligen Einsatz in ihrer Freizeit zum Wohle der Natur.
Michael Kuenzle, Jagdgesellschaft Meilen
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