Der letzte Gewerbezmorge fand vor gut zwei Jahren statt. Ohne sich dabei etwas Spezielles zu denken, habe er im Januar 2020 allen «e guets Nois» gewünscht, erinnerte sich Gemeindepräsident Christoph Hiller am Dienstagmorgen im Löwensaal.
Just zu jenem Zeitpunkt gab es die ersten Zeitungsberichte über eine «mysteriöse Epidemie in China». Heute sieht die Welt anders aus: Hiller beglückwünschte die rund 50 geimpften oder genesenen Anwesenden zu ihrem «Wagemut, sich trotz dem Respekt vor Corona hierher zu getrauen». Manche mussten wegen der Pandemie gezwungenermassen passen, so etwa der als Redner vorgesehene René Schneider von Schneider Umweltservice AG, der sich aktuell trotz dreifacher Impfung in Isolation befindet, ein Schicksal, das er mit Gemeinderätin Verena Zogg-Bergmann teilt. Der Rest des Gemeinderats war fast in corpore anwesend.
Bauvorhaben im Mittelpunkt
Beim Gewerbezmorge geht es darum, den Kontakt zwischen Politik, Behörden und Gewerbetreibenden in Meilen zu festigen, vor allem, wenn jemand nicht im Dorf wohnt und deshalb nicht jede Aktualität mitbekommt.
Im Rückblick zählte Hiller deshalb einige dörfliche Highlights der letzten zwei Jahre auf wie die Eröffnung des neuen Weiherhauses des Alterszentrums auf der Platten, die einstimmige Annahme der neuen BZO, den neuen Springbrunnen im See oder den Silbermedaillengewinn von Sina Frei vom Veloclub Meilen, auch rekapitulierte er die Hilfestellungen der Gemeinde im Zusammenhang mit der Pandemie, von der Soforthilfe für Selbständigerwerbende über die Finanzierung von Inseraten bis zu Aktionen in der Gastronomie.
Der Rest des Morgens hatte fast ausschliesslich Bauvorhaben zum Inhalt: Projekte der Schule, von Hoch- und Tiefbau – und grosse Vorhaben von privaten Investoren. Meilen erlebt einen wahren Bauboom. Ob die Attraktivität der Gemeinde wohl durch ihr hervorragendes Abschneiden in den aktuellen Städte-Rankings der «Weltwoche» und der «Bilanz» gesteigert werde, fragte der Gemeindepräsident augenzwinkernd.
«Mühe mit Baubewilligungen in Wohnzonen»
Während sich die Anwesenden die zweite Tasse Kaffee einschenken liessen und ein Brötchen mit Butter bestrichen, berichtete Hochbauvorsteher Heini Bossert über den aktuellen Stand bei der neuen Bau- und Zonenordnung, die am 14. Juni 2021 von der Zürcher Baudirektion genehmigt wurde. Wegen einem Rekurs durch einen einzelnen Grundeigentümer ist indes ein Teil von Art. 28 nicht in Kraft. Er regelt die Grundmasse in den Wohnzonen in Zusammenhang mit der Umsetzung der IVHB. Deshalb gilt partiell weiterhin die BZO von 1997, mit teils gravierenden Folgen. «Wir haben nun Mühe, in den Wohnzonen Baubewilligungen zu erteilen», fasste Heini Bossert die Konsequenz des unbefriedigenden Zustands zusammen, der noch länger andauern könnte, wenn der Rekurrent nicht mit sich reden lässt und «den Rechtsstaat ausreizt», wie Bossert sagte.
12’000 Quadratmeter Gewerbeflächen in der Beugen
Nicht von der Problematik um Artikel 28 betroffen ist das Bauvorhaben der Schneider Umweltservice AG auf dem Areal Beugen zwischen Meilen und Obermeilen, denn es liegt in der Gewerbezone. In Vertretung von René Schneider stellte der Gemeindepräsident das Projekt vor.
Michael Meier und Marius Hug Architekten AG, Zürich, sowie Studio Vulkan Landschaftsarchitektur haben bei einem Projektwettbewerb vier Konkurrenten hinter sich gelassen, indem sie drei unterschiedlich anmutende Gebäude konzipierten, die sich um einen grünen Innenhof gruppieren. Bereits im Stadium Gestaltungsplan – er liegt noch bis 1. Februar auf – gibt es sehr viele Interessenten für die 12’000 Quadratmeter vermietbare Gewerbeflächen aus den Bereichen Büro, Fachmärkte und Läden, Fitness sowie Gesundheitswesen: «Meilen ist offenbar ein Magnet», sagte Hiller.
In den obersten Stockwerken werden 4000 Quadratmeter Wohnfläche entstehen. Eine zweistöckige Tiefgarage mit Anschluss an die Seestrasse und für die Geschäfte eine Anlieferungszone unter dem Boden sollen die Verkehrs- und Lärmproblematik des gescheiterten Vorgängerprojekts entschärfen. «Der Gemeinderat ist optimistisch für dieses spannende, gute Projekt», sagte der Gemeindepräsident.
Abbruch des DOP im April geplant
Ein zweites Grossprojekt konnte vom Investor selber vorgestellt werden: Alex Jenny, Meilemer und CEO der Verit Holding, lobte mit Wehmut in der Stimme den «Speed» von René Schneider, welchen dieser in der Beugen vorlege. Sein eigenes Projekt, die Markthalle, befindet sich auf einem vergleichsweise schwierigeren Bauplatz mitten im Dorf. Dennoch geht es vorwärts. Im letzten August wurde die Baubewilligung erteilt, ohne Einsprachen, dasselbe gilt auch für die Änderungseingaben, die im Oktober bewilligt wurden und vor allem das Thema Brandschutz betrafen.
Mitte März werden am zukünftigen Standort Dorfplatz grosse Muster der Fassade aus vorgefertigten, hellen Betonelementen in einem leicht grünlichen Farbton aufgebaut. Im April dann ist der Abbruch des nördlichen Teils des DOP geplant; Baustart ist im Juli. Einkaufen in Alnatura und Denner kann man in gut zwei Jahren, die 18 Wohnungen in den oberen Geschossen werden ab Sommer 2023 vermietet – so der aktuelle Stand der Planung. Noch zu haben sind 130 Quadratmeter Ladenfläche auf dem Niveau unterer Dorfplatz.
Nur die Baumgruben sind noch nicht perfekt
Nach einer kurzen Verschnaufpause ging es mit den Bauvorhaben der öffentlichen Hand weiter. Der scheidende Tiefbauvorsteher Peter Jenny – er tritt an den kommenden Wahlen nicht mehr für den Gemeinderat an – stellte das Projekt Dorfstrasse vor. Gegen die Sanierung und Neugestaltung mit Tempo-30-Zone von Kirchgasse bis Coop (sowie teilweise Bahnhofstrasse und Rosengartenstrasse) liegt eine Einsprache vor, die zurzeit bereinigt wird.
Das Projekt kommt am 13. Juni vor die Gemeindeversammlung und wird, wenn alles wie geplant läuft, ab 2024 ausgeführt. Anders als bei der ursprünglich vorgesehenen Begegnungszone scheinen alle mit dem erzielten Kompromiss zufrieden zu sein, «nur die Baumgrubenausgestaltung muss noch überarbeitet werden», so Peter Jenny leicht amüsiert. An der Juni-Gemeindeversammlung entscheiden die Meilemer auch über die Umrüstung der Strassenbeleuchtung auf LED. Weitere Projekte wie die Arealentwicklung des Bahnhofs Herrliberg-Feldmeilen oder der SBB-Doppelspurausbau werden dafür sorgen, dass es Jennys Nachfolger nicht langweilig wird.
Viel zu wenig Schulraum
Auch Liegenschaftenvorsteherin Irene Ritz-Anderegg konnte den Frühstückenden von vielen Projekten berichten, knapp zwanzig abgeschlossene oder aktuelle stellte sie vor. Primär das Thema Schulraum ist weiterhin topaktuell, hat Meilen heute doch 50 Prozent mehr Schulkinder unterzubringen als noch vor zehn Jahren. Abgeschlossene Schulprojekte wie der Neu- und Umbau der Schule Feldmeilen sind wegen der vielen neuen Schüler bereits wieder «Schulprojekte in Bearbeitung». In Feldmeilen werden ein Erweiterungsbau und eine Turnhalle nötig werden, auf der Allmend braucht es längerfristig ebenfalls einen Erweiterungsbau, und sogar der Kindergarten Just soll für die FEE vergrössert werden.
Eine Perle im Strandbad
Was die Einstellhalle für Rettungsorganisationen mit zwei Wohnungen an der Bruechstrasse angeht, das Projekt war lange durch einen Rekurs blockiert, ist nun ein Happy End in Sicht. Nach der Vornahme von «kleineren Korrekturen», so Ritz, soll ab Ende Jahr gebaut werden.
Seit Jahren ein – hochkompliziertes – Thema ist das «Pumpwerk» an der Seestrasse 386. In der gemeindeeigenen Liegenschaft ist nun eine Zwischennutzung im Bereich Gastronomie durch Dritte angedacht.
Eine «Perle» könne hingegen die neue Seeufergestaltung im Strandbad Dorf werden, versprach Irene Ritz. Geplant ist eine Flachuferzone anstelle der groben Steinblöcke; die Projektierung ist im Gange, wobei namhafte Beiträge durch den Kanton erwartet werden dürfen – und auch der ZKB-Jubiläums-Batzen soll sich hier materialisieren.
Und noch ein Rekurs
Zum Ende hin gab es nochmals einen Rekurs zu vermelden, er ist gegen die Umsetzung des Projekts Stelzen neben der katholischen Kirche gerichtet. Hier erstellt die Gemeinnützige Wohnbau Meilen AG (Gewomag) auf einem Grundstück, das der reformierten Kirche gehört, rund 30 kostengünstige Wohnungen und Gewerberäume. Im Moment herrscht Stillstand, bis der Rekurs gegen eine Wegverlegung beigelegt ist.
Die Fragerunde im Anschluss an das Referat wurde für einmal genutzt: Wie es denn mit dem Kibag-Areal am Dorfeingang weiter gehe, wurde Irene Ritz gefragt, die versicherte, man bleibe auch hier dran und plane mindestens eine optische Aufwertung.
Zu guter Letzt trat der Präsident des Handwerks- und Gewerbevereins (HGM) und Löwen-Wirt Marcel Bussmann ans Mikrofon und bedankte sich bei der Gemeinde für die Einladung und die Unterstützung in schwierigen Zeiten, Gemeindepräsident Christoph Hiller erntete sogar noch einen Sonderapplaus. Wenigstens seitens Gewerbezmorge ist also sicher keine Einsprache zu befürchten.