Amtliches, obligatorisches Publikationsorgan der Gemeinde Meilen
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Neulich in Meilen: Wo gasch hii?

Neulich sass ich in der Bar und trank ein Bier. Roger hatte einen Auftrag im Ausland, daher dachte ich, ich müsse mit mir selber plaudern. Doch dann hörte ich Carlas Stimme neben mir. «Darf ich?» – «Immer gerne», sagte ich mit einem Lächeln.

Sie bestellte ihren Weisswein, und wir stiessen an. «Habe dich lange nicht mehr gesehen», begann ich die Unterhaltung. «Ich gehe eben auch gerne in Zürich mit Kollegen etwas trinken», erklärte sie. «Zudem haben wir neue Nachbarn bekommen. Ein sympathisches junges Ehepaar mit zwei Kindern.» – «Ihr versteht euch offensichtlich gut.» – «Ja, sehr. Letzten Samstag haben sie mich zum Räbeliechtliumzug mitgenommen. Das war richtig schön!» – «Ha!», entfuhr es mir. «Stimmt, das gibt’s ja auch noch. Das letzte Mal, als ich an einem Räbeliechtliumzug war, bin ich als Kind selber mitgelaufen. Das ist ewig her.» – «Mir ging es da ähnlich. Umso mehr habe ich mich gefreut, das wieder einmal zu erleben. Die machen das richtig schön hier in Meilen. Der Musikverein spielt, der Kinderchor singt, und auf dem Umzug geht die Guggenmusik voran. Und natürlich singen die Kinder ‹Räbeliechtli, Räbeliechtli, wo gasch hii?’» Ich musste schmunzeln. Erinnerungen kamen hoch. «Und machen sie immer noch diese schönen Lampions aus den Räben?», fragte ich. «Die sind wunderschön», meint Carla mit leuchtenden Augen. «Es war zwar sehr kalt. Aber wenn man diese Lichter durchs Dorf ziehen sieht, dann ist das eine sehr freundliche Alternative zu Halloween.» Ich stutzte. «Hat der Umzug denselben Ursprung?» – «Gemäss Wikipedia hat der Umzug seine Wurzel eher in einer Art Erntedank. Die Räben waren im Mittelalter das, was heute die Kartoffeln sind: Ein wichtiges Grundnahrungsmittel. Nach der Ernte haben die Kinder diese Laternen hergestellt und sind durchs Dorf gezogen. Ist also ein sehr alter Brauch.» Ich musste an früher denken, als ich in der Schule die Räbe bekam und sie dann zu Hause unter Aufsicht der Eltern mit Hingabe ausgehöhlt und ein wenig verziert hatte. «Ja, das war wirklich schön», seufzte ich. Carla erzählte mir noch weiter vom Umzug. Schliesslich zahlte ich und sagte zu Jimmy: «Bis in einer Woche.» Und er antwortete: «Bis nächste Woche.» Ich trat in die Novembernacht hinaus und summte in nostalgischer Verklärung: «Räbeliechtli, Räbeliechtli, wo gasch hii?»

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