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Neulich sass ich in der Bar und trank ein Bier. Roger und ich plauderten über die zurückliegenden Pfingsttage. Irgendwann sagte ich: «Weisst du, was mir aufgefallen ist?» – «Keine Ahnung», antwortete Roger. «Den Schweizern ist Religion unangenehm.» – «Wie kommst du darauf?» Ich stellte mein Bier hin und sagte:
«Zum einen siehst du immer weniger Leitartikel zu den kirchlichen Feiertagen in der Presse. Oder hast du in einer grossen Tageszeitung etwas Gescheites zu Pfingsten gelesen?» Roger hob sein Glas. «Das ist halt so. Religion wird immer unwichtiger.» – «Mitnichten», wandte ich ein. «Die deutsche Wochenzeitung ‹Die Zeit› hat Pfingsten zum Titelthema gemacht. Und sie hat wöchentlich eine ganze Seite zum Thema ‘Glauben und Zweifeln’.» – «Glauben ist eben Privatsache», versuchte Roger eine Erklärung. «Das ist sie in Deutschland auch. Aber denen ist Religion nicht unangenehm. Viele Schweizer Stiftungen zum Beispiel haben in ihren Satzungen, dass sie religiös neutral seien. Diese Neutralität interpretieren sie aber so, dass sie gar nichts fördern, was einen religiösen Anstrich hat.» – «Na und?» – «Das ist eine sehr seltsame Form von Neutralität. Neutral heisst doch, wir ergreifen keine Partei und behandeln alle gleich. Da ist es doch egal, ob ein Projekt reformierter, katholischer oder gar muslimischer Herkunft ist. Entscheidend ist, dass es gut ist.» Roger dachte kurz nach. «So könnte man Neutralität auch interpretieren.» Und während er zwei weitere Stangen bestellte, fragte er: «Und wieso genau beschäftigt dich das so sehr?» – «Das sind einfach so Gedanken, die mir an Pfingsten durch den Kopf gegangen sind. Den Schweizern ist Religion unangenehm. Am besten, man spricht gar nicht drüber.» Das zweite Bier war schnell weg, und ich bezahlte. «Bis nächste Woche», sagte ich zu Jimmy. Und der antwortete: «Bis in einer Woche.» Auf dem Weg nach Hause fragte ich mich: Wieso ist Religion den Schweizern so unangenehm? Ist es vielleicht wie mit dem Geld? Über Geld und Religion spricht man nicht?
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