- Kolumne
- Beni Bruchstück
Amtliches, obligatorisches Publikationsorgan der Gemeinde Meilen
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Neulich sass ich in der Bar und trank ein Bier, als sich ein mir unbekannter Mann neben mich setzte. Er hatte eine Zeitung aufgeschlagen und schien intensiv beschäftigt zu sein. Jimmy stellte ihm ein Bier hin. Aber der Gast stöhnte nur.
«Ist die Welt so schlecht?», fragte ich. Der Mann schaute auf. «Die Welt? Sie steckt voller ungelöster Rätsel!» Jetzt erst sah ich den Stift in seiner rechten Hand und begriff, dass er nicht an der Schlechtigkeit der Welt litt, sondern schlicht sein Kreuzworträtsel nicht lösen konnte. «Kennen Sie zum Beispiel einen ‘Stamm in Westnigeria’? Oder wissen Sie, was ein ‘südslawischer Schelm’ ist?» Ich schüttelte den Kopf. «Dafür können Sie mir sicher sagen, wie ein ‘Gaunergehilfe’ genannt wird? Nicht? Aber den ‘Tessiner Freiheitskämpfer’ kennen Sie bestimmt.» Auch hier musste ich passen und meinte verwundert: «Was sind denn das für Fragen?» Er zeigte mir das Rätsel. Ich ging es kurz durch. «’Kurzer Rock: MINI’, ‘Feiner Spott: IRONIE’, ‘Europäische Zahlungsunion: EZU’ – Das ist doch gar nicht so schwierig», meinte ich darauf. «Einverstanden», lenkte mein Nachbar ein. «Aber manchmal kommen diese unmöglichen Fragen, die kaum einer beantworten kann.» Ich schaute mir die Sache noch einmal an. «Das sind eben Wörter, die sich ergeben, wenn die Lösungswörter sich kreuzen. Da muss man dann halt etwas finden, das so heisst.» – «Das weiss ich auch. Nur, das ist nicht mehr elegant. Das ist konstruiert.» Wir beugten uns gemeinsam über das Rätsel und fanden heraus: Der Warägerfürst muss ‘RURIK’ heissen, der Gaunergehilfe ist der ‘EDE’, der südslawische Schelm ‘ERO’ und der Tessiner Freiheitskämpfer ‘VELA’. «Den kennt nicht einmal Wikipedia», sagte ich nach einem Blick ins Handy. «So wichtig kann der demnach nicht gewesen sein.» Wir nahmen noch ein Bier. Und dann noch eins. Er erzählte mir sein Leben. Waagrecht und senkrecht ging er durch die Ereignisse, die in seinem Leben wichtig gewesen sein mussten. Ich hatte Mühe zu verstehen, inwiefern sie alle zusammenhingen. Schliesslich zahlte ich. «Bis nächste Woche!» – «Bis in einer Woche!» Jimmy und ich, wir verstanden uns blind. Als ich aus der Bar trat, dachte ich: Nun habe ich doch viel Zeit mit dem Mann verbracht. Aber im Grunde ist er mir ein Rätsel geblieben.
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