Amtliches, obligatorisches Publikationsorgan der Gemeinde Meilen
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Amtliches, obligatorisches Publikationsorgan der Gemeinde Meilen

Neulich in Meilen: Prima Kinder

Neulich sass ich wieder an der Bar und trank mein Bier. Es war ein ruhiger Abend, und so hatte Jimmy Zeit, mit mir zu plaudern. «Ich find’s gut, dass die Migros keinen Alkohol verkauft», sagte ich und nahm noch einen Schluck. Jimmy nickte.

«Das scheint auch eine Mehrheit der Bevölkerung so zu sehen.» – «Ich könnte dir aber nicht sagen, ob ich das aus Prinzip so sehe oder weil ich denke, dass man seinen eigenen Wurzeln treu bleiben soll.» – «Ich bin ein Migros-Kind. Ich kenn’s nicht anders. Und du?», fragte er mich. «Ich bin ein Läbes-Kind.» – «Ein was?» – «Ein Läbes-Kind. Meine Mutter ging immer im LVZ einkaufen. Das war der Läbes.» – «Noch nie gehört.» – «Gibt es heute nicht mehr.» – «Wir haben früher gestritten, was wohl besser sei: ein Migros- oder ein Coop-Kind.» – «Unser Gemeindepräsi ist ein Landi-Kind», sagte ich nach einem weiteren Schluck. «Landi war für mich immer die Landesausstellung.» – «Genau, die nannte man auch so.» – «Dass es eine Lebensmittelkette namens Landi gibt, habe ich erst gemerkt, als ich nach Meilen kam.» – «Dabei heisst die schon lange nicht mehr Landi.» – «Auch wer in den Volg ging, sagte, ich gehe in die Landi.» – «Zumindest bei den Alteingesessenen war das so.» – «Ich weiss gar nicht, ob es heute immer noch Coop-Kinder oder Migros-Kinder und so weiter gibt.» – «Keine Ahnung», meinte Jimmy, «Ich habe keine Kinder.» – «Das ist das eine. Aber ich kaufe zum Beispiel auch nicht mehr so ideologisch ein. Ich gehe dorthin, wo sie die Produkte haben, die ich mag. Oder wo es gerade näher ist.» – «Ich auch», bestätigte Jimmy, «und Landi-Kinder wird es sowieso nicht mehr geben, denn der Landi heisst nicht einmal mehr Volg.» – «Nicht?» – «Nein, die heissen jetzt Prima.» – «Ach ja, stimmt! Habe nie irgendetwas vom Namenswechsel gelesen.» – «Wenn sich das durchsetzen würde, dann gäbe es bald Prima-Kinder», sagte Jimmy mit einem Schmunzeln.

«Sind wir nicht alle prima Kinder?», sagte ich mit gespielt andächtiger Stimme. «Hey, hast du einen Pfarrer verschluckt? Ich glaube, du hast genug Alkohol gehabt.» Ich lachte, legte das Geld auf die Theke und sagte: «Na, dann bis nächste Woche.» – «Bis in einer Woche», antwortete Jimmy und nahm mein leeres Glas mit. Ich trat auf die Strasse und fragte mich nochmals: Sind wir nicht alle prima Kinder?

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