- Kolumne
- Beni Bruchstück
Amtliches, obligatorisches Publikationsorgan der Gemeinde Meilen
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Amtliches, obligatorisches Publikationsorgan der Gemeinde Meilen
Neulich sass ich an der Bar und hatte eine Stange vor mir stehen. Es hatte kaum Gäste. Jimmy stand hinter der Theke und wischte die Arbeitsfläche sauber, obwohl es eigentlich nichts mehr zu reinigen gab.
«Nicht viel los heute.» Jimmy schaute auf. «Nicht viel? Es ist gar nichts los.» Er machte sich einen Kaffee. «Sind eben alle in den Ferien», sagte ich. «Habe gehört, dass dort ebenfalls wenig los ist. Jedenfalls muss man den Schnee suchen.» Er trank seinen Kaffee. Ich netzte meine Lippen mit dem Bier. «Meine Mitarbeiter können nun wenigstens Überstunden abbauen.» – «Es hat alles zwei Seiten.» Jimmy nickte. «Im ganzen Dorf ist nichts los.» – «Typisch Ferienzeit eben!» – «Dafür kann man problemlos im Dorf parkieren.» Nun nickte ich. «Es hat eben alles seine zwei Seiten.» Jimmy trank seine Tasse leer und gab sie in die Spüle. «Manchmal habe ich das nicht ungern, wenn nichts los ist», setzte er wieder ein. Das konnte ich verstehen. «Man muss dann nicht so laut sprechen.» – «Nicht nur das», fuhr Jimmy fort: «Ich habe auch mehr Zeit für die Administration. Kann mich mal etwas länger zu den Gästen setzen oder mir bei einem Rundgang durch die verschiedenen Säle die Infrastruktur etwas genauer ansehen.» Ich dachte dem Gehörten nach und nickte. «Das ist der Vorteil an der Ferienzeit.» – «Und ich bin abends weniger müde. Das ist auch mal angenehm.» – «Es hat eben tatsächlich alles seine zwei Seiten.» Jimmy schenkte mir ungefragt eine weitere Stange aus. Ich sah ihn fragend an. «Geht aufs Haus», sagte er. «Besser du trinkst das Bier, als dass es hier schlecht wird.» Schmunzelnd stellte er mir das Glas hin. «Das können wir nicht zulassen», meinte ich augenzwinkernd. «Das ist eben auch ein Aspekt der Ferienzeit. Ich muss aufpassen, dass nichts verfällt.» – «Dabei helfe ich dir gerne.» Ich nahm einen grossen Schluck und sagte: «Manchmal ist es gut, dass alles zwei Seiten hat.» Jimmy nickte. Dann sagte er: «Nächste Woche geht’s wieder los.» – «Dann wird es wieder voll sein hier.» – «Bis dahin geniesse ich die Ruhe.» – «Mach das», sagte ich und bedankte mich für das Bier. «Bis in einer Woche.» – «Bis nächste Woche», sagte Jimmy und räumte mein Glas weg. Ich trat auf die Strasse und merkte, dass auch der Strassenlärm geringer war. Da sagte ich zu mir: «Manchmal ist es gut, wenn nichts los ist.»
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