Amtliches, obligatorisches Publikationsorgan der Gemeinde Meilen
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Neulich in Meilen: Manchmal erst im Nachhinein

Neulich sass ich in der Bar und trank ein Bier. Roger war auch wieder da. Unser Anstossen war diesmal besonders herzlich, und der erste Schluck schmeckte besonders gut.

«Gut, dich wieder hier zu haben», sagte ich. «Ja, das war ein aufwändiger Job! War lange weg», meinte Roger und fragte dann: «Habe ich etwas verpasst?» Ich dachte kurz nach und sagte: «Den VVM haben sie aufgelöst. Nach 125 Jahren ist der nun Geschichte.» – «Die haben wohl keine Vorstandsmitglieder mehr gefunden, oder?» – «Genau», bestätigte ich. «Das ist heute immer wieder der Grund, weshalb Vereine in arge Probleme kommen.» – «Ich verbinde vor allem die Ruhebänkli mit dem VVM», meinte Roger. «Ging mir ähnlich. Doch nun habe ich erfahren, dass der auch für diverse Veranstaltungen zuständig war. Der Räbeliechtliumzug zum Beispiel oder die Kinderfasnacht waren seine ‘Kinder’.» – «Das wusste ich auch nicht.» – «Überhaupt ist in den vergangen 125 Jahren viel zusammengekommen. Und ich habe erst jetzt, quasi mit dem Nachruf in der Presse, die traditionsreiche Geschichte dieses Vereins vernommen.» Roger nickt nachdenklich. «Ja, manchmal begreift man erst im Nachhinein, wer oder was da zu Grabe getragen wurde. Das geht mir auch mit Menschen manchmal so.» – «Ach ja?» – «Das kennst du bestimmt auch. Es kann eine liebe Grosstante oder ein freundlicher Nachbar sein. Man ruft ab und zu an oder macht gelegentlich Besuche. Mal mehr, mal weniger aus Pflichtbewusstsein. Und dann stirbt die Person. Man geht an die Beerdigung, führt Gespräche mit anderen Angehörigen, und in dem Zusammenhang realisiert man, dass das doch eine bemerkenswerte Person gewesen ist.» – «Es kommt eben auch in einem Menschenleben viel zusammen.» – «Genau, das ist es doch», sagte Roger. «Darum versuche ich nun jeweils, bewusster mit diesen Menschen zusammenzusein. Die haben etwas zu erzählen.» – «Das hat was», meinte ich und nahm noch einen Schluck. Kurz darauf bezahlte ich und sagte zu Jimmy: «Bis nächste Woche!», und er antwortete: «Bis in einer Woche.» Ich trat in die kalte Novembernacht hinaus und dachte, da ist doch dieser Nachbar. Der würde sich über einen gemeinsamen Spaziergang sicher freuen. Und vielleicht scheint dann ja die Sonne, und wir können uns gemeinsam auf eines dieser lauschigen VVM-Bänkli setzen.

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