Roger meinte: «So alt muss man erst einmal werden.» Dann nahm er noch einen Schluck und sagte: «Die sind ja fast so alt wie der Schweizer Bundesstaat. Die hatten damals bestimmt ein anderes Kulturprogramm als heute.» – «Ich habe auf der Website gelesen, dass die Gesellschaft ursprünglich als Lesegesellschaft für ‹Unterhaltung und Belehrung› gegründet wurde.» – «Das sieht man ihr aber heute nicht mehr an. Jedenfalls ist ihr Auftreten gar nicht schulmeisterlich.» – «Das ist es, was ich so toll an der Gesellschaft finde. Die Zeiten haben sich geändert, und parallel dazu hat auch sie sich gewandelt.» – «Sonst wirst du nicht so alt. Denn: Wer nicht mit der Zeit geht, wird mit der Zeit gehen.» – «Meine Rede! Auf der Jubiläumsschifffahrt durfte ich dabei sein. Und am Tisch kam ich mit meinem Gegenüber ins Gespräch. Der hatte ein altes Haus gekauft, das natürlich unter Denkmalschutz steht. Und da ist mir der Unterschied zwischen lebendiger Kultur und Heimatschutz klar geworden.» – «Nämlich?» – «Naja, die Mittwochgesellschaft ist, wie du gerade schön beschrieben hast, lebendig geblieben. Sie hat sich den neuen Bedürfnissen und Gegebenheiten angepasst. Der Heimatschutz dagegen legt zum Beispiel bei einem Haus, das während dreihundert Jahren immer wieder den neuen Bedürfnissen angepasst wurde, irgendeinen Zeitpunkt fest und bestimmt, dass dieser Zustand von nun an bis in Ewigkeit erhalten werden muss. Änderungen, Modernisierungen sind kaum mehr möglich.» – «So verkommt die Baukultur zum Museum», fasste Roger meine Ausführungen treffend zusammen. «Und ist sie erstmal museal geworden, entweicht nach und nach alles Leben», ergänzte ich. Wir bestellten noch eine Runde und mit «Es lebe die Kultur!» stiessen wir auf die Mittwochgesellschaft an. Schliesslich legte ich das Geld auf die Theke. «Bis nächste Woche», sagte ich, und Jimmy antwortete: «Bis in einer Woche». Auf dem Heimweg betrachtete ich die vielen Pflanzen, die gerade blühten oder schon verblüht waren und die im nächsten Jahr bestimmt anders aussehen werden. Und dachte: Das hat die Natur mit der Kultur gemeinsam, sie verändert sich unentwegt.