Amtliches, obligatorisches Publikationsorgan der Gemeinde Meilen
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Neulich in Meilen: Im Westen und Osten nichts Neues

Neulich sass ich in der Bar und trank mein Bier. Roger war auch da.

«Hast Du auch die Oscar-Verleihung gesehen?» – «Eine Mega-Show wieder einmal.» – «’Im Westen nichts Neues’ hat vier Oscars abgeräumt.» – «Eine Netflix-Produktion?» – «Eine deutsche Produktion! Hat unter anderem den Oscar für den besten internationalen Film bekommen.» – «Nicht schlecht.» – «Und es kommt noch besser. Der Regisseur Edward Berger ist ein gebürtiger Schweizer!» – «Das ist mal etwas Neues.» – «Das habe ich auch erst vor kurzem herausgefunden.» – «Muss ein sehr brutaler Kriegsfilm sein.» – «Ja. Ich weiss auch nicht, ob ich mir den anschauen will.» – Wir nahmen einen Schluck. Dann fuhr Roger fort: «Im Osten gibt es auch nichts Neues. Da herrscht immer noch der äusserst brutale Stellungskrieg.» – «Nur ist das kein Film.» – «Leider!» – «Auch da kann ich bald nicht mehr hinschauen.» – «Ich versteh, was Du meinst. Es macht hilflos. Man kann eh nichts ändern!» – «Da sind die Bäume, die Menschen, die aus der Ukraine fliehen mussten, gepflanzt haben, ein schönes Zeichen der Dankbarkeit.» – «Stimmt. Und gleichzeitig hält es einem vor Augen, wie wenig wir hier in Meilen effektiv tun können.» – «Das geht mir immer wieder so, wenn ich von Krisen und Katastrophen in den Nachrichten höre. Ich erschrecke, empöre mich, schimpfe. Aber dann merke ich, wie wenig ich selber tatsächlich tun kann. Das macht mich hilflos.» – «So geht es nicht nur dir.» Wir schwiegen und nahmen mehr aus Verlegenheit einen Schluck von unseren Stangen. «Es gibt eben wirklich nichts Neues unter der Sonne», meinte ich schliesslich nachdenklich. «Nicht im Westen und nicht im Osten.» – «Und auch bei uns in der Mitte nicht», ergänzte Roger mit einem leisen Schmunzeln. «Aber wie kann denn je etwas Neues werden?», fragte ich in die Stille hinein. Roger zuckte mit den Schultern. Ich raffte mich auf und sagte: «Ich muss los. Sonst werde ich hier noch depressiv!» Ich legte mein Geld auf den Tresen, klopfte Roger auf die Schulter und sagte zu Jimmy: «Dann bis nächste Woche.» – «Bis in einer Woche», antwortete er. Ich machte mich auf den Heimweg und dachte bei mir, vielleicht hat ja der anbrechende Frühling eine Idee, wie Neues werden kann.

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