Amtliches, obligatorisches Publikationsorgan der Gemeinde Meilen
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Amtliches, obligatorisches Publikationsorgan der Gemeinde Meilen

Neulich in Meilen: Hilfe!

Neulich sass ich wiedermal an der Bar und trank mein Bier. Jimmy wischte die Theke in meiner Nähe länger als nötig. «Schöne Scheisse», sagte er. Ich nickte. «Riesen Scheisse!» – «Warst Du auch da?» – «Am Samstag? Klar!» – «Es kamen unglaublich viele Hilfsgüter zusammen.» – «Ich habe eine Ladung Lebensmittel vorbeigebracht.

Reis und Pasta. Und natürlich Konservendosen.» Jimmy wischte immer noch denselben imaginären Fleck. «Ich habe bei der Materialannahme geholfen.» – «Ah ja?» – «Ein freiwilliger Mitarbeiter musste am Nachmittag für ein paar Stunden weg, da habe ich seinen Platz übernommen.» Und mit Verweis auf die Tische im Raum ergänzte er: «Um diese Zeit ist hier ohnehin nicht viel los.» – «Die Meilemer haben mal wieder am schnellsten reagiert.»

Doch Jimmy beschäftigte etwas anderes. «Als ich dort stand, kamen sogar zwei Russinnen vorbei und haben Kleider und Medikamente gebracht!» – «Im Ernst?» – Jimmy nickte. «Sie hatten Tränen in den Augen. Sie schämten sich für das, was Putin da anrichtet. Haben sie mir so gesagt.» Jimmy hatte nun aufgehört zu putzen. Stattdessen setzte er nach: «Das hat mir den Wahnsinn der ganzen Geschichte erst recht vor Augen geführt.» –

«’Wenn ihr uns stecht, bluten wir nicht? Wenn ihr uns kitzelt, lachen wir nicht?’» Jimmy runzelte die Stirn. «Wie bitte?» – «Ich mein’ ja nur. Diese Russinnen haben begriffen, dass die Ukrainer Menschen sind wie sie. Und nichts anderes wollen als leben. So wie sie auch.» – «Stimmt. Wir alle müssen essen. Wir alle frieren im Winter. Wir alle wollen unsere Kinder in Frieden aufwachsen sehen.» – «Uns Menschen verbindet so viel mehr als uns trennt!» – «Und doch findet dieser Scheisskrieg statt!» – «Und ich sitze hier bei dir und trinke mein Bier. Hilflos. Machtlos.» Jimmy versuchte dagegenzuhalten: «Immerhin können wir die Not der Flüchtenden ein wenig lindern.» – «Schon, aber das ändert nichts am Krieg.» – «Aber es ist besser als gar nichts.» – Da musste ich Jimmy recht geben. «Ja, es ist mehr als nichts. Wenigstens das.» – «Noch ein Bier? Geht aufs Haus.» – «Danke lieber Jimmy. Aber ich mach Feierabend.» – «Na, dann bis nächste Woche.» «Ja, du sagst es: bis nächste Woche!»

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