Amtliches, obligatorisches Publikationsorgan der Gemeinde Meilen
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Neulich in Meilen: Gott liebt die Goldküste

Neulich sass ich an der Bar und trank mein Bier, als der Pfarrer sich neben mich setzte und einen grossen Schluck des Hopfengetränks in seine Kehle schüttete. «Na», fragte ich, «musst du den Pfingststress runterspülen?» – «Im Gegenteil», antwortete der Geistliche, «ich feiere die völkerverbindende und die sozialen Grenzen überwindende Kraft des Heiligen Geistes.» – «Ein begeistertes ‘Prosit!’ darauf!», sagte ich und hob das Glas.

Wir stiessen an, und nach einem weiteren kräftigen Schluck meinte ich: «Ich sage ja, Gott liebt die Goldküste!» – «Gott liebt alle Menschen», wandte der Pfarrer ein. «Natürlich, aber an der Goldküste ist er besonders gern.» – «Wie kommst du darauf?» – «Nun, ich habe vor kurzem mit einem Freund gesprochen, der reformierter Kirchenpfleger auf dem Land ist. Die haben unglaublich Mühe, einen Pfarrer oder ein Pfarrerin zu finden.» – «Ja, der Pfarrermangel ist ein Problem. Bei den Katholiken zeigt sich das noch viel stärker.» – «Und darum glaube ich, dass Gott das rechte Zürichseeufer besonders liebt.» – «Wie kommst du darauf?» Der Pfarrer war nun neugierig.

«Habt nicht ihr geschrieben, dass Gottes Geist die Pfarrer an ihre Wirkungsstätten leitet?» – «Aber natürlich. Wir bezeugen das Evangelium, wo immer uns Gottes Geist hinberuft.» – «Sag ich’s doch. Und während ich immer wieder von Kirchenpflegen auf dem Land höre, die Mühe haben, Pfarrpersonen zu finden, stelle ich fest, dass hier an der sogenannten Goldküste das Problem nicht herrscht. Offensichtlich hat also auch der Heilige Geist eine gewisse Vorliebe für die Lage am schönen Zürichsee.» – «Das habe ich so noch nie gesehen.» – «Aber das ist doch logisch: Wenn Gottes Geist die reformierte und katholische Pfarrschaft an ihre Wirkungsstätten führt und die Gemeinden an der Goldküste ihre Stellen immer besetzen können, dann wird Gottes Geist die Goldküste besonders lieb haben.» – «Das ist gut. Das muss ich in meine nächste Predigt aufnehmen», sagte der Pfarrer und bestellte noch ein Bier. Ich klopfte ihm auf die Schulter und sagte: «Das nenne ich die inspirierende Wirkung eines guten Feierabendbiers.» Er nickte mir zu, ich legte mein Geld auf den Tresen und rief: «Dann bis nächste Woche!» Und Jimmy antwortete vom Zapfhahn aus: «Ja, bis in einer Woche!» Dann tauchte ich in den lauen Frühlingsabend ein.

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