- Kolumne
- Beni Bruchstück
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Neulich kam ich in die Bar, setzte mich auf meinen Hocker und bestellte ein Bier. Roger war schon da, und nachdem Jimmy mir das Bier hingestellt hatte, sagte er: «Prost!» Ich erwiderte den Gruss und wir nahmen beide einen kräftigen Schluck
«Na, wie war Deine Woche?» fragte er. «Gut», antwortete ich. «Vorgestern war ich an der GV meines Vereins. Das halbe Dorf war da.» – «Ist halt ein grosser und traditionsreicher Verein!» meinte Roger anerkennend. Ich nickte und sagte: «Fritz Burri war auch da.» – «Der ist doch bestimmt schon neunzig Jahre alt.» – «Mindestens. Jedenfalls hat es sich ergeben, dass ich neben ihm sass.» – «Konntet Ihr reden?» – «Wenig. Es war halt sehr laut.» – «Fritz hat viel für unser Dorf gemacht.» – «Genau! Das war auch irgendwie das Schöne an jenem Abend.» – «Erzähl!» – «Als das Buffet aufgetragen war, machte ich mich sogleich mit ihm auf, um vor dem Ansturm dort zu sein. Wir kamen besser an den Tischen vorbei, solange alle noch sassen.» – «Das leuchtet ein.» – «Auf dem Weg zum Buffet – das war echt speziell – umgab uns lauter Freundlichkeit. Alle grüssten ihn, und wenn dann doch noch ein Stuhlbein oder eine Jacke im Weg war, wurde schnellstens Platz gemacht.» – «Die Meilemer mögen eben den guten Fritz.» – «Das ging dann noch weiter. Gegen Ende des Abends wollte er seine Betreuerin anrufen, damit sie ihn holen komme. Etwas hilflos hantierte er an seinem Smartphone. Es war noch keine Woche alt.» – «Oje, der Arme!» – «Jedenfalls erinnerten sich einige daran, dass an der GV vor einem Jahr aus irgend einem Grund das mit dem Anruf nicht geklappt hatte. Sicher drei Personen sind vorbeigekommen und haben ihm angeboten, ihn nach Hause zu fahren.» – «Den Fritz Burri lässt man nicht sitzen», sagte Roger. «Genau», sagte ich. «Es heisst doch, es braucht ein ganzes Dorf um Kinder grosszuziehen.» – «Wie kommst Du jetzt darauf?» – «Irgendwie war dieses Dorf an jenem Abend spürbar. Und ich sagte zu mir: Das Dorf hilft dir beim Grosswerden. Und wenn du dich dann ebenfalls für das Dorf einsetzt, ist diese Gemeinschaft auch wieder da, wenn Du alt und auf Hilfe angewiesen bist.» – «Muss ein guter Abend gewesen sein.» «Das kannst du laut sagen.»
Ich zahlte und rief: «Bis in einer Woche!» Und wie jedes Mal rief Jimmy zurück: «Bis nächste Woche!» Dankbar für die Gemeinschaft in diesem Dorf trat ich in die Nacht hinaus.
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