Amtliches, obligatorisches Publikationsorgan der Gemeinde Meilen
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Neulich in Meilen: Die Briefmarke

Neulich sass ich wieder an der Bar und betrachtete einen Briefumschlag, den ich meinem Briefkasten entnommen hatte. «Und? Gute Nachrichten?», fragte Jimmy als er mir mein Bier hinstellte. «Ja, es war ein lieber Brief drin. Aber mir geht’s um die Briefmarken.» – «Was ist denn darauf zu sehen?» – «Die Fähren Horgen und Meilen sind abgebildet.»

Nun schaltete sich mein Nachbar ein. «Ich staune, dass es das immer noch gibt. Heute werden doch Briefnachrichten gemailt. Und wenn noch etwas in den Briefkasten geliefert wird, dann ist alles vorfrankiert.» Ich sah ihn kurz an und wandte mich dann wieder den Briefmarken zu. «Umso mehr freue ich mich, dass es diese Briefmarken gibt.» – «Was ist denn so besonders an Briefmarken?» – «Nun, eine Briefmarke ist ein Kunstwerk, das jeder besitzen kann. Briefmarken können jede Grenze überschreiten. Und sie erzählen mir eine Geschichte von ihrer Herkunft und spätestens mit dem Stempel auch von ihrer Reise. Sie sind oft durch viele Hände gegangen und tragen den Speichel des Absenders an sich.»

Mein Nachbar schaute mich leicht belustigt an und meinte dann: «Das ist doch reine Nostalgie! Das war früher mal so. Aber das Ende der Briefmarke wird so sicher kommen wie das Ende der gedruckten Zeitungen.» – «Und wie das papierlose Büro?», fragte ich mit ironischem Unterton. Nun schwieg mein Nachbar. Ich fuhr fort: «Nein, ich denke, auch hier gilt: Totgesagte leben länger.» Nun wurde mein Nachbar neugierig. «Zeig mal her.» Er besah sich den Umschlag mit der Doppelmarke der Fähren von Horgen und Meilen. «Tatsächlich. Das sind die Fähren, auf denen ich jeden Tag zur Arbeit fahre.» – «Und die reisen nun durch die ganze Schweiz und noch weiter.» – «Ist auch grafisch gut gemacht. Mit diesem leicht schrägen Balken, der an die Bauform der Fähre erinnert. Nicht schlecht.» Der kritische Nachbar schien sich zur Philatelie zu bekehren. Ich hakte nach: «Siehst Du! Ein Kunstwerk, das sich jeder leisten kann.» – «Trotzdem, für meine Mails brauch ich die nicht.» Er gab mir den Umschlag zurück. «Aber mir gefallen sie so gut, dass ich wieder Briefe verschicken werde», sagte ich fast trotzig.

Ich legte einen Schein auf die Theke. «Bis nächste Woche, Jimmy.» Der steckte ihn dankend ein und meinte lächelnd: «Ja, bis nächste Woche!» Dann wandte er sich dem nächsten Gast zu.

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