- Kolumne
- Beni Bruchstück
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Neulich sass ich in der Bar und trank ein Bier. Wir sprachen über den General. «Ist bestimmt ein bedeutender Mann gewesen», meinte Roger.
«Einfach so wirst du nicht Ehrenbürger von Meilen und bekommst eine Strasse nach dir benannt.» – «Immerhin war er General der Schweiz während des Ersten Weltkrieges», sagte ich, «und hat damit an seiner Stelle dafür gesorgt, dass die Schweiz nicht in die Völkerschlacht hineingezogen wurde.» – «Hat er nicht eine ‹von Bismarck› geheiratet?», fragte Roger. «Ich glaube schon», antwortete ich. Worauf Roger sagte: «Das wird wohl ein Grund gewesen sein, weshalb er nicht unumstritten war.» – «Was meinst du?» – «Galt er nicht gerade wegen seiner exzellenten Beziehungen nach Deutschland als deutschfreundlich?» – Ich zuckte mit den Schultern. «Kann schon sein. Dennoch hat er doch seine unbestreitbaren Verdienste für unser Land.» – «Ich sage ja nur, er war nicht unumstritten.» Roger hatte seinen Punkt gemacht und nahm einen grossen Schluck Bier. Das reichte mir aber nicht. Also fuhr ich fort: «Wer ist schon unumstritten?» – «Wieso fragst du?» – «Sind nicht alle Menschen, die in Krisenzeiten Bedeutendes für ihr Land geleistet haben, umstritten?» – «An wen denkst du?», fragte Roger. «Spontan kommt mir Churchill in den Sinn. Bei seiner Wahl haben die Menschen auch nicht alle einfach gejubelt. Im Parlament gab es heftigen Widerstand gegen seine Person.» – «So gesehen hast du recht», gab Roger zu. «Ich habe einfach etwas dagegen, wenn berühmte Persönlichkeiten zu sehr aufs Podest gehoben werden.» – «Da bin ich ganz bei dir», sagte ich. «Darum bin ich ja so froh, dass wir in einer Demokratie leben. Da bekommen wichtige Personen unter Umständen zwar einen bedeutenden Handlungsspielraum, aber es gibt immer andere Instanzen, die das Tun der Mächtigen kritisch hinterfragen und damit ihre Macht begrenzen.» So verging der Abend. Wir klaubten beide unser Halbwissen zum General zusammen, waren insgeheim stolz, dass er ein Meilemer war, und zumindest ich beschloss, mich zu Hause noch weiter über ihn schlau zu machen. Als ich zahlte, sagte ich zu Jimmy: «Bis in einer Woche.» Und er antwortete: «Bis nächste Woche.» Ich trat in die Winternacht und nahm mir vor, diesmal den Weg nach Hause über die General-Wille-Strasse zu nehmen.
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