Amtliches, obligatorisches Publikationsorgan der Gemeinde Meilen
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Neulich in Meilen: Dachhase

Neulich sass ich in der Bar und trank ein Bier. Roger war auch da. Wir stiessen an. «Weisst du was ein Dachhase ist?», fragte Roger. «Nein, keine Ahnung», musste ich gestehen. «Was ist das?» – «Ich weiss eben auch nicht. Ein Kollege bei der Arbeit hat erzählt, dass der Vater seines Nachbarn früher gerne Dachhase gegessen hätte.

Er konnte mir aber nicht sagen, was das ist.» – «Dann fragen wir doch Jimmy», meinte ich. «Wenn man das essen kann, wird er schon Bescheid wissen.» Wir fragten Jimmy, ob er auch schon Dachhasen auf seiner Karte gehabt hätte. «Nein, das nicht. Das würde nicht gut kommen. Aber ich habe einen alten Stammgast, der erzählt gelegentlich aus der Kindheit. Und der hatte einen Schulkollegen, der bei seinem Patenonkel in den Ferien regelmässig Dachhasen vorgesetzt bekam.» – «Und was ist denn jetzt ein Dachhase?» – «Ihr wisst wirklich nicht, was das ist?» – «Würden wir sonst fragen?» Auch Roger wurde langsam ungeduldig. «Na, Dachhasen sind Katzen.» – «Katzen?», fragte Roger erstaunt, und ich meinte im selben Augenblick: «Das könnte ich nie essen!» – «Jetzt weisst du auch, weshalb ich den Dachhasen auch nicht auf der Karte habe», brachte Jimmy seine Entscheidung auf den Punkt. «Meinst du, die haben früher tatsächliche Katzen gegessen?», fragte Roger immer noch ungläubig. «Nun, ich denke, wenn die Not gross genug ist, liegt das schon nahe. Andererseits», Jimmy machte eine Kunstpause. «Andererseits?» Roger wollte das Ende des Gedankens noch hören. «Naja, sagte Jimmy, wenn immer ich von diesen Dachhasen höre, war es der Onkel eines Freundes oder die Schwiegermutter der Schwester der Freundin.» – «Was willst du damit sagen?» – «Alle, die mir davon erzählen, haben von jemandem gehört, der gehört hat, dass einer das gegessen haben soll. Da werde ich dann auch vorsichtig.» – «Du hast recht, bei mir war’s ja auch der Vater eines Nachbarn.» – «Wie auch immer», meinte ich, «ich würde gerne das unappetitliche Thema mit einem Bier runterspülen.» Jimmy zapfte uns zwei weitere Stangen, und ich war froh, dass wir für den Rest des Abends anderes besprachen. Schliesslich zahlte ich und rief zu Jimmy: «Bis nächste Woche!» und er antwortete: «Bis in einer Woche.» Als ich die Bar verliess, huschte eine Katze davon. Not lehrt auch essen, dachte ich. Aber bis ich einen Dachhasen esse, muss die Not schon sehr gross sein!

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