- Kolumne
- Beni Bruchstück
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Neulich sass ich in der Bar und trank ein Bier. «Ich war an einer Vernissage», sagte ich zu Roger, nachdem wir angestossen hatten.
«Mit ‹Klingende Bilder› war sie betitelt. Ein älterer Maler stellte Bilder aus, die er auf Grund von Höreindrücken gemalt hatte.» – «Bilder auf Grund von Musik?», fragte Roger. «Wie geht das?» – «Naja, ich stelle mir vor, dass er ein Musikstück hört und dabei Bilder in sich entstehen lässt.» Roger dachte nach. Dann meinte er: «Also wenn ich Musik höre, dann habe ich vor allem Gefühle. Oder ich denke an eine verflossene Liebe. Oder so.» – «Und verbindest du mit diesen Gefühlen keine Farben?» – «Schon», antwortete Roger. «Also bei einem melancholischen Lied sehe ich natürlich einen Sonnenuntergang am Meer.» – «Ich denke, so ähnlich wird es dem Maler auch gehen. Er hört intensiv hin und setzt dann die Empfindungen in Farben und Formen um. Und es macht dann den Künstler aus, dass er das so umzusetzen vermag, dass die Bilder in mir als Betrachter wiederum zu klingen beginnen.» – «Du meinst, du hörst dasselbe Stück, das der Maler gehört hat?» – «Vielleicht, wenn er es im Titel des Bildes nennt und wenn ich es kenne. Aber das ist nicht das Ziel.» Roger nickte. Dann fragte er: «Gibt es nicht sogar ein Musikstück ‹Bilder einer Ausstellung›?» – «Genau. Der Komponist hat sich damals von Bildern inspirieren lassen. Und der Maler, dessen Ausstellung besucht habe, hat aus dieser Musik wiederum Bilder gemacht. So wurde aus Bildern Musik und aus dieser Musik wiederum Bilder.» – «Krass», sagte Roger, doch ich sah ihm an, dass ihn das nicht sehr bewegte. Er bestellte nochmals zwei Bier. «Wie sähe ein Bild aus, das von einem Bier inspiriert ist?» fragte er, als er die volle Stange in der Hand hielt. «Oder wie würde ein Musikstück klingen, das dieses Getränk vertont?» Roger zuckte mit der Schulter. «Egal», sagte er, «Hauptsache, das Bier schmeckt.» Wir plauderten dann noch eine Weile über Belanglosigkeiten, was guttat. Schliesslich hatten wir ja Feierabend. Dann machte ich mich auf und sagte zu Jimmy: «Bis in einer Woche.» Und er antwortete: «Bis nächste Woche.» Auf dem Heimweg gingen mir dann die Bilder und die Musik wieder durch den Kopf, und ich dachte: Das ist doch eine Funktion von Kunst. Sie verschafft einem einen neuen Blick auf scheinbar Altbekanntes.
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