Amtliches, obligatorisches Publikationsorgan der Gemeinde Meilen
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Neulich in Meilen: Auf Sand bauen

Neulich sass ich an der Bar und trank ein Bier. Es war nicht viel los, daher hatte Jimmy Zeit, sich zu mir zu gesellen.

«Unser Dorf lebt», meinte er zum Einstieg. «In den kommenden Jahren wird viel gebaut werden.» – «Rege Bautätigkeit ist ein Zeichen für Leben im Dorf», bestätigte ich. – «Auf der Stelzen, dem Beugenareal, die frühere Getränke Obermeilen AG, Burkwil.» – «Und die Markthalle», ergänzte ich. «Dort komme ich häufig vorbei. Dabei hat mich beeindruckt, wie lange sie am Fundament gebaut haben.» – «Das muss gut sein. Du willst dein Haus nicht auf Sand bauen.» – «Das steht schon in der Bibel», sagte eine tenorale Stimme neben mir. Verwundert sahen wir beide nach links. Dort sass der Pfarrer. «Kann ich auch ein Bier haben?», fragte er. «Kommt sofort», antwortete Jimmy und begab sich an den Zapfhahn. «Was genau steht in der Bibel?», fragte ich. «Dass man sein Lebenshaus nicht auf Sand bauen soll.» – «Du meinst, man muss gewisse Überzeugungen haben, auf denen das Leben fusst?» Der Pfarrer nickte. «Im Laufe eines Lebens können heftige Stürme aufziehen, die mächtig an deinem Lebenshaus rütteln.» – «Können sich Überzeugungen nicht ändern?» – «Dann musst du dein Leben eben auch auf ein neues Fundament stellen. Und solche Übergänge sind immer schwierig.» – «Man sollte also stets an seinem Fundament arbeiten?» – «Genau. Denn ein anderes Fundament kann niemand legen, als das, das bereits gelegt ist, welches Jesus Christus ist. Steht auch in der Bibel.» – Ich zog die Brauen zusammen. «Was gilt nun? Muss ich das Fundament selber legen oder ist es schon gelegt?» – «Gute Frage», meinte der Pfarrer nachdenklich. «Wahrscheinlich ist die Erfahrung die, dass du das Fundament legen musst und dann merkst, dass es schon immer da war.» Er hielt kurz inne und rief dann begeistert aus: «Oh, wow! Das ist gut, das ist sehr gut! Das wird meine nächste Predigt!» – «Wozu ein Feierabendbier nicht alles gut ist», sagte ich schmunzelnd, trank aus und legte mein Geld auf die Theke. «Dann bis in einer Woche», sagte ich zu Jimmy. «Bis nächste Woche», antwortete der und zapfte ein weiteres Bier für den Pfarrer, der schon damit begonnen hatte, auf einem Zettel seine Gedanken zu notieren. Ich trat nach draussen und freute mich daran, dass unser Dorf lebt.

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