Amtliches, obligatorisches Publikationsorgan der Gemeinde Meilen
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Neulich in Meilen: Auf die Hoffnung!

Neulich sass ich in der Bar und trank ein Bier. «Mein Mann hat die Nase bereits wieder voll», seufzte Carla, als sie sich neben mich auf den Hocker fallen liess.

«Ich wünsche dir auch ein frohes neues Jahr», meinte ich darauf und hielt ihr mein Glas hin. Sie nahm ihren Weisswein, wir stiessen an und tranken auf das neue Jahr. Dann setzte ich wieder ein: «Hatte denn dein Mann einen schlechten Start?» – «Ach, nein», antwortete sie. «Er ist einfach stark erkältet. Aber ich find’s irgendwie symptomatisch. Es ist eben an allen Orten gleich wieder intensiv losgegangen.» – «Das kann ich bestätigen», sagte ich und fuhr fort: «Es sind aber auch intensive Zeiten. Am Neujahrsapéro hat der Präsident wieder sehr ernste Worte gewählt.» – «Hat er das?» Ich nickte. «Erst dachte ich mir, das haben wir doch letztes Jahr schon gehört. Aber dann machte er deutlich, dass es im vergangenen Jahr noch schlimmer geworden ist. Kriege und Katastrophen sind jedenfalls nicht weniger geworden.» – «Im Gegenteil», meinte nun auch Carla. Dann aber setzte sie fast trotzig fort: «In solchen Momenten zitiere ich gerne Erich Kästner: ‘Wird’s besser? Wird’s schlimmer?’ / fragt man alljährlich. / Seien wir ehrlich: / Leben ist immer lebensgefährlich.» – «Ja, solcher Humor ist eine hilfreiche Überlebensstrategie. Dennoch fällt es mir schwer, heiter ins neue Jahr zu blicken. Es sieht doch wirklich düster aus, meinst du nicht?» – «Dann darf ich vielleicht Wilhelm Busch zitieren: ‘Obgleich die Welt ja, sozusagen, / wohl manchmal etwas mangelhaft, / wird sie doch in den nächsten Tagen / vermutlich noch nicht abgeschafft’» – «Du hast wohl in den Feiertagen eine Reihe Gedichte gelesen!» – «Ich will einfach nicht schon zu Beginn des neuen Jahres die Nase voll haben! Darum wünschen wir uns doch ein frohes neues Jahr, weil wir wenigstens die Hoffnung hochhalten wollen.» – «Recht hast du», musste ich eingestehen. «Auf die Hoffnung!» Ich hob das Glas, und wir stiessen an. Als ich schliesslich aufbrach, rief ich wie im alten Jahr zu Jimmy: «Bis in einer Woche!» Und er rief zurück: «Bis nächste Woche!» Dann trat ich nach draussen, blickte in den kalten sternenklaren Himmel und dachte bei mir: Ja, das hoffe ich für alle: Möge es ein gutes neues Jahr werden.

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