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Musik ist sein Lebenselixier

Wer kennt wohl das Rothaus nicht, das wunderschöne Riegelhaus an der Ecke Dorfstrasse/Kirchgasse, in dessen unterem Stockwerk sich die Apotheke befindet? – Oben wohnt Jean-Paul Guggenbühl, der heute, am 2. Juni, seinen 90. Geburtstag feiern darf, mit seiner Frau Ruth sowie mit den zwei verspielten und neugierigen Katzen Chouchou und Bijou.

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Seine Grosseltern mütterlicherseits waren Weinbauern und wohnten bereits im Rothaus. Die Eltern Luise und Paul Guggenbühl-Meier lebten mit Jean-Paul und seiner jüngeren Schwester Liliane erst in Paris, dann in Zürich. Schon in Paris zeigte sich, dass Musik den kleinen Jean-Paul faszinierte: Während seine Mutter Einkäufe erledigte, sass der Unterstufenschüler in der Madeleine-Kirche und lauschte andächtig den Orgelklängen. Wie bei vielen Kindern war sein erstes Instrument die Blockflöte, danach nahm er Klavierunterricht. Doch dann gefiel ihm der Klang des Klaviers nicht mehr, er zog das Cembalo vor.

Der Vater, der auch musikalisch war und selber Geige spielte, unterstützte ihn sehr und kaufte ihm ein Cembalo. Dieses wurde sein Lieblingsinstrument, und sein Cembalolehrer Eduard Müller täuschte sich sehr, als er zum Vater Guggenbühl sagte: «Der wird nie ein Cembalist». Vor dem Studium am Konservatorium musste der Musikfreund aber noch etwas Rechtes lernen, deshalb absolvierte er die École de Commerce in Neuchâtel.

Am Konservatorium Zürich lernte er die Gesangsstudentin und spätere Schauspielerin Ruth Gutzwiller kennen. Schon bald wurden sie ein Liebespaar, doch die Eltern der beiden waren nicht einverstanden, sie sollten nicht heiraten. Bis es in dieser Liebesgeschichte zu einem Happy End kommen würde, sollte es noch sehr lange dauern.

Jean-Paul Guggenbühl erwarb das Orgeldiplom beim Orgellehrer Heinrich Funk und das Diplom für Schulmusik. Er wurde Musiklehrer am Seminar Küsnacht und gab auch Cembalo-, Orgel- und Blockflötenunterricht. Mit seiner ersten Frau hat der Jubilar einen Sohn, aber die Ehe hielt nicht lange. Er litt darunter, dass sie seine grosse Liebe zur Musik nicht teilen konnte und gewissermassen in einer anderen Welt lebte. Musik ist und war schon immer sein Lebenselixier. Im Laufe der Jahrzehnte entstand eine beachtlich grosse Sammlung Alter Musik – Schallplatten, CDs und auch Noten. Unangefochtene Nummer eins ist Johann Sebastian Bach, und besonders faszinierend findet der Jubilar die Kunst der Fuge. Aber auch Komponisten vor Bach sowie Mozart gefallen ihm sehr gut.

Als Cembalist gab er auch kleinere Konzerte, besonders gern hat er im grossen Saal im Rothaus diverse Sänger und Instrumentalisten begleitet. Mit einem von ihm gegründeten Ensemble für Alte Musik spielte er auch in der Wasserkirche Zürich. Wichtig war ihm immer, sich weiterzubilden und mehr dazuzulernen. Zwei Musiker, die zu seinen Freunden wurden, beeindruckten ihn ganz besonders: der britische Countertenor Alfred Deller und der Dirigent und Cembalist William Christie. Deller war der erste, der die hohe männliche Stimme, die es nur noch in den englischen Kathedralchören gab, wieder solistisch einsetzte, und in der Renaissance- und Barockmusik populär machte. Jean-Paul Guggenbühl lernte den Sänger an der Schola Cantorum in Basel kennen, konnte in England einen Sommerkurs bei ihm besuchen und viel von ihm lernen. Counter sei die schönste Stimme, die es gibt, sagt er.

Nach vielen Jahren haben sich Jean-Paul Guggenbühl und seine Jugendfreundin Ruth Gutzwiller in Meilen an einer Beerdigung wieder getroffen, sie tranken anschliessend Kaffee bei ihm im Rothaus. Ruth kocht gern und lud ihn darauf zum Essen ein. Er hatte es zwar nicht gern, ass aber tapfer, wie sie erzählt. Sie lebten ein paar Jahre zusammen in ihrem Flarz-Häuschen im Gusch, Oetwil, heirateten dann – bereits im Pensionsalter – und zogen nach Meilen. Sie genossen gemeinsame Reisen nach Frankreich und zu den Wirkungsstätten von Bach. Leipzig, Weimar – alles haben sie mehrere Male besucht. Es ist für sie ein grosses Glück, das Alter miteinander zu verbringen.

Bis vor wenigen Jahren hat Ruth Guggenbühl Theater gespielt, zuletzt in Kleists «Zerbrochenem Krug». Sie bereut keinen Moment, dass sie damit aufgehört hat, sie will ihren Mann nicht allein lassen, er bedeutet ihr mehr als das Theater. Er ist sehr dankbar dafür, dass ihn seine Ehefrau und die Spitex immer liebevoll umsorgen.

Gemeinsam mit seiner Frau wunderbare Musik zu hören und zu geniessen, ist für ihn das Schönste, zum Beispiel Konzertbesuche am alle drei Jahre stattfindenden Internationalen Bachfest in Schaffhausen. Für Ende Juni ist eine Reise nach Beaune geplant, wo William Christie Werke aus der französischen Barockmusik dirigieren wird. «Musig isch würklich mis Läbe!», sagt der Jubilar, und wir wünschen ihm noch viele glückliche Stunden mit seiner Lieblingsmusik und gratulieren ihm herzlich zu seinem 90. Geburtstag.

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