Amtliches, obligatorisches Publikationsorgan der Gemeinde Meilen
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Möbel und Mobiles an Stelle von Billetten

In der Bahnstation Herrliberg-Feldmeilen werden heute keine Fahrscheine mehr verkauft. Hier wird restauriert und Kunst produziert!

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Lisa Lutz und Christian Schmidt nutzen die Schalterhalle der Station Herrliberg-Feldmeilen für ihr Handwerk. Foto: Urs Imholz

Obwohl der Bahnhof Herrliberg-Feldmeilen seit bald sechs Jahren nicht mehr bedient ist, müssen Lisa Lutz und Christian Schmidt noch beinahe täglich in die Rolle der einstigen Schalterbeamten springen: «Ich muss nach Rapperswil. Wann fährt der nächste Zug?» – «Excusez-moi. Le prochain train pour Fribourg?»

Immer wieder übersehen Reisende, dass in der früheren Schalterhalle keine uniformierten SBB-Angestellten mehr sitzen, sondern dass zwei Menschen in blauer Arbeitskleidung mit Sägen, Schraubzwingen, Zangen und anderen Werkzeugen hantieren: Lisa Lutz ist Antikschreinerin, Christian Schmidt baut Mobiles.

Mobiles wie von Alexander Calder

Aber die Verwechslungen nehmen die beiden gelassen. Denn irgendwann werden die verirrten Reisenden doch neugierig und beginnen sich umzuschauen. Im einen Raum stehen Möbel, die Lisa Lutz für ihre Kundschaft mit viel Fachwissen, Erfahrung und Leidenschaft restauriert; im anderen hängen Mobiles von der Decke, darauf wartend, Wohnzimmer oder Büros zu schmücken.

Aktuell ist Lisa Lutz gerade dabei, die Tür eines antiken Schranks zu restaurieren. Sie malt mit einem feinen Pinsel die fehlende Maserierung nach. Als sie fertig ist, tritt sie einen Schritt zurück und mustert ihr Werk. Zufrieden? «Ja, nichts mehr zu sehen!» Christian Schmidt beugt sich derweil über sein neustes Mobile. Hundert Teile aus farbig lackiertem Sperrholz wird es vereinen. «Das wird wie eine Wolke aussehen – eine Wolke, die an einem Faden vom Himmel schwebt.» Schmidt sieht sich als Epigone des 1976 verstorbenen Alexander Calder, dem Erfinder der Mobiles, dessen Werke heute unter anderem im Kunsthaus Zürich zu sehen sind.

Alte Möbelstücke in neuem Glanz

Die beiden freuen sich darüber, dass die SBB ihnen den ehemaligen Bahnhof vermietet. Die Räume sind nicht nur gross und hoch, sondern bezüglich Kundschaft auch gut gelegen. Möbel lassen sich problemlos anliefern und abholen, und kleine Mobiles gibt es gleich «to go» zu haben: fertig verpackt in verschiedenen Farben.

Noch mehr schätzt es Lisa Lutz aber, dass sie gleich zwei Mal alten Dingen neues Leben einhauchen kann: «Dass ich alten Familienstücken zu neuem Glanz verhelfen darf, damit sie ihre Geschichte weiter erzählen können, macht mir viel Freude. Das zudem in einem Raum zu tun, der eigentlich ausgedient hat und nun dank uns einen neuen Sinn erhält, macht das Ganze noch viel besser.»

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