Amtliches, obligatorisches Publikationsorgan der Gemeinde Meilen
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Amtliches, obligatorisches Publikationsorgan der Gemeinde Meilen

Meilen stellt vor: Vereinigung Heimatbuch Meilen

Weder einer der Sportvereine noch ein Kulturclub ist der nach Anzahl Mitgliedern grösste Meilemer Verein: Der erste Platz geht an die «Vereinigung Heimatbuch Meilen». Sie wurde 1960 gegründet und materialisiert sich vor allem in den 63 «Heimatbüchern», die seither erschienen sind.

Meilen stellt vor, Heimatbuch Kopie
Seit 1960 hat die Vereinigung Heimatbuch Meilen diese 63 Bände herausgebracht. Foto: MAZ

Stolze 70 Zentimeter nehmen die Heimatbücher in den Büchergestellen der Vereinsmitglieder ein, wenn alle erschienenen Bände nebeneinander aufgereiht werden. Sie laden ein zum Schneuggen und Stöbern, zum Sich-Wundern, Sich-Festlesen und auch zum Lernen. Der Inhalt: Geschichtliches, Kulturelles, Anekdotisches, seit ein paar Jahren auch journalistische und auf die Aktualität bezogene Beiträge – im Corona-Jahr 2020 lag der Themenschwerpunkt beispielsweise beim Thema Lockdown. Alles das immer im Blick auf die Gemeinde Meilen. Dazu kommen ständige Rubriken wie die «Chronik», in der jeweils (fast) alle dörflichen Ereignisse der letzten zwölf Monate aufgelistet werden.

«Ich fand das Heimatbuch schon immer cheibe gut.»

Die Heimatbücher sind eine Schatzkiste und Fundgrube von ortgeschichtlichem Wissen, das von verschiedenen Autoren gesammelt und aufbereitet wird. Dieser Fokus geht darauf zurück, dass die Vereinigung 1960 von Lehrern gegründet wurde. Die – durchaus erzieherische – Idee war, das ehemalige Schulbuch «Heimatkunde der Gemeinde Meilen» fortzuführen und Jakob Stelzers «Geschichte der Gemeinde Meilen» zu ergänzen. «Ob Lesende das heute noch so empfinden, ist vielleicht eine andere Sache», schrieb dazu Peter Kummer, Ortshistoriker und langjährige Redaktor des Heimatbuchs, in seinem 2010 erschienenen Artikel zum 50-Jahr-Jubi-läum.

Die Schlacht bei Meilen und Kater Leo

In der Tat besteht im Anspruch ein gewisser Unterschied zwischen einer Abhandlung über «Die ‹Schlacht› bei Meilen und die Letzi von Obermeilen» von Bundesrichter Dr. Paul Corrodi (1960) und dem Porträt von Leo, einem schwarzen Kater, der die Herzen der Meilemer erobert hat (2023). Vergnüglich und interessant zu lesen ist aber beides, und natürlich findet sich auch in den aktuellen Heimatbücher Geschichtliches, so etwa im letzten Band ein Rückblick auf die Seegfrörni von 1963. Derart akribisch recherchiert und wissenschaftlich formuliert wie vor mehr als 60 Jahren sind die Beiträge indes meist nicht mehr. Übrigens wurden exakt die ersten 50 Ausgaben ehrenamtlich redigiert, dann musste – dem Zeitgeist folgend – die Redaktion in professionelle Hände gelegt werden.

Hans Isler, der heutige Präsident der Vereinigung, ist in Meilen aufgewachsen und las das Heimatbuch jeweils in der freien Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr. «Ich war schon als Schüler geschichtsinteressiert und fand das Buch immer cheibe gut», erinnert er sich. Einmal schrieb er sogar einen «Fanbrief» und gratulierte einem Autor zu seinem Text.

Als Gemeindepräsident sass er dann von Amtes wegen im Vorstand, und je mehr er  über das Heimatbuch erfuhr, desto mehr trug er dazu bei, bis er 2012 zum Präsidenten des doch speziellen Vereins gewählt wurde. Ungewöhnlich ist vor allem, dass man als Vereinsmitglied eigentlich nur eine einzige Pflicht hat, nämlich jedes Jahr das aktuelle Heimatbuch zu kaufen. Die 32 Franken, die das zurzeit kostet, sind gleichzeitig auch der Vereinsbeitrag, wobei Ehepaare als zwei Mitglieder mit je einem Stimmrecht gelten, aber nur ein Buch bezahlen und erhalten.

«Wir haben mit dem Heimatbuch einen wertvollen ortsgeschichtlichen Fundus.»

«Ortsgeschichte ist etwas Wertvolles», sagt Hans Isler, «und so einen Fundus wie wir ihn haben, eben dank der Heimatbücher, besitzen längst nicht alle Gemeinden.» Bei der Vorbereitung der Dorfrundgänge stosse er in alten Bänden immer wieder auf Sachen, die er selber schon vergessen habe. Die Dorfrundgänge sind eine grosse Erfolgsgeschichte des Vereins, es gibt sie seit über zehn Jahren. Jeweils im Spätsommer werden die Spaziergänge durchgeführt, auf denen «Vergessenes und Verschwundenes» aus Meilen aufgespürt wird, Mitmachen ist gratis.

«Eine zentrale Frage für uns ist, wie wir an die Jungen kommen.»

In den letzten Jahren nahmen immer um die 150 Personen teil, die von mittlerweile acht Führern durch Dorf-, Ober-, Feld- oder Bergmeilen geleitet werden, und wenn neue Gäste sich anschliessend als Vereinsmitglied anmelden, um-
so besser. Dasselbe gilt für die «virtuellen Dorfrundgänge» im Winter, auch sie sind ein grosser Erfolg. Und am obligaten Wettbewerb am Heimatbuch-Stand am Herbstmärt nimmt jedes Jahr halb Meilen teil.

Alle Bände können auch online abgerufen werden

«Die Auflage sollte nicht zurückgehen, damit das Heimatbuch überleben kann», ist Hans Islers Wunsch. Rund 1500 Bände werden jährlich unter die Leute gebracht, wobei diese Leute «eher 45 plus» sind, so Isler. «Wie kommen wir an die Jungen?» ist daher eine zentrale Frage des Vereins. «20-Jährige sind am Heimatbuch nicht interessiert», stellt der Präsident fest, «aber diejenigen, die in der Gemeinde Fuss gefasst haben, könnten es sein.» Nach zehn Jahren in Meilen wird man deshalb direkt angeschrieben, ein weiterer Werbebrief folgt nach total zwanzig Jahren Wohnsitz in der Gemeinde. Neuzuzüger erhalten sowieso einen Gutschein für einen Band. Alle Jahrgänge des Buches sind noch vorrätig (teils gebraucht) und können via Website bezogen werden. Ausserdem kann man alle Bände, mit einem Jahr Verzögerung, online abrufen (Link via Website www.heimatbuch-meilen.ch).

Ein Junglehrer möchte sich vorbereiten

Was Isler freut: «Wir haben es geschafft, den Vorstand zu verjüngen.» Das ist nicht selbstverständlich, denn es ist viel Freiwilligenarbeit gefragt. Ein Beirat erarbeitet die passenden Themenschwerpunkte wie «Schule» oder «Verkehr». Der Präsident selber bezeichnet sein zeitraubendes Amt als «Altershobby» und sich selbst als «Wanderprediger in Sachen Heimatbuch».

Was hilft, ist die finanzielle Unterstützung durch die Gemeinde, durch die Alfred und Margaretha Bolleter Stiftung und durch Gönner wie Firmen oder Private – für den Druck der Bücher, die Administration und allfällige Honorare für Redaktion und Autoren.

Und was besonders viel Freude macht, sind Überraschungen wie diese: «Im Frühling habe ich von einem Herrn aus Zürich eine Nachricht erhalten. Er sei ein junger Lehrer, unterrichte ab Sommer hier in Meilen und möchte deshalb die letzten Bände des Heimatbuchs lesen, um sich auf seinen neuen Wirkungskreis vorzubereiten.» Hans Isler hat ihm sofort zurückgeschrieben und sicherheitshalber seine Adresse aufbewahrt – für eine allfällige weitere Verjüngung des Vorstands.

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