Amtliches, obligatorisches Publikationsorgan der Gemeinde Meilen
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Amtliches, obligatorisches Publikationsorgan der Gemeinde Meilen

Mehr Bewerberinnen und Bewerber als freie Sitze

Am 15. Mai werden in Meilen die Gemeindebehörden für die nächsten vier Jahre gewählt. Die Kandidatinnen und Kandidaten stellten sich am Montagabend im Löwen-Saal den Stimmbürgern vor.

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Zu wählen sind die Mitglieder von fünf Gemeindebehörden. Nur bei einer davon entspricht die Zahl der Kandidierenden der Zahl der Sitze: Bei der Sozialbehörde ist davon auszugehen, dass die beiden Bisherigen Melanie Bischofberger (Die Mitte) und Véronique Gerber-Fridez (FDP) ihren Sitz genauso auf sicher haben wie die Neuen Sandra Konrad (SP) und Kamylla Lisi-Brandino (FDP).

Überall sonst sind Kampfwahlen angesagt – um die acht Sitze im Gemeinderat etwa, exklusive Präsidium Schulpflege, bewerben sich elf Personen. Eigentlich also eine spannende Ausgangslage, um möglichst viel über die persönliche Motivation und Eignung speziell jener Frauen und Männer zu erfahren, die sich erstmals für ein Behördenamt zur Verfügung stellen. Allerdings ging Moderatorin Philippa Schmidt, Co-Redaktionsleiterin der ZSZ im Ressort Bezirk Meilen, nach der kurzen Selbstdarstellung der Kandidierenden jeweils direkt dazu über, konkrete Sachfragen zu teilweise etwas gesuchten Themen zu stellen. Naturgemäss waren die Neuen damit mangels vertiefter Dossierkenntnis eher überfordert und konnten sich auch nicht mit überraschenden neuen Ideen profilieren.

Persönlicher Bezug zum Thema

Das Podium organisiert und die Fragen vorgegeben hatten die sechs Ortsparteien. Ihre Präsidenten unter der Leitung des «Amtsältesten» Stefan Wirth (Die Mitte) begrüssten die rund 140 Anwesenden im Jürg-Wille-Saal des Löwen, bevor die Moderatorin die ersten drei Kandidatinnen für die Sozialbehörde – Véronique Gerber-Fridez war aus gesundheitlichen Gründen abwesend – für kurze Statements auf die Bühne bat.

Auf sie folgten jene drei Männer und drei Frauen, die sich für die sechs Sitze der Bürgerrechtsbehörde bewerben. Kandidat Nummer sieben, Martin Fleischmann (SP, bisher) war aus gesundheitlichen Gründen verhindert. Hier wurde es persönlich und damit interessant: die meisten Bewerber erklärten, einen Bezug zum Thema zu haben, weil sie ausländische Ehepartner haben, die eingebürgert wurden oder werden (Tina Jäger Kreyzig, SVP, neu; Daniel Kälin, GLP, neu) oder weil sie selber einst durch einen Einbürgerungsprozess Schweizer geworden sind (Béatrice Mast, Die Mitte, neu; Samuel Halim, FDP, neu). Der Bisherige und Ur-Meilemer Franco Pinelli (parteilos) bezeichnete sich hingegen selbstironisch als Sesselfurzer: «Schon lange im Dorf, in der Behörde und beim selben Arbeitgeber.» Auch die Bisherige Marianne Zambotti tritt wieder an. Alle wollen sich für einen konsequenten und transparenten Einbürgerungsprozess einsetzen.

Steile Lernkurve zu erwarten

Für das Präsidium der Rechnungsprüfungskommission bewirbt sich Paulo Gnehm (FDP, neu). Der Steuerexperte kümmert sich aktuell in der RPK Küsnacht um «ausgewogene Ausgaben» und lebt mit seiner Familie seit drei Jahren in Meilen. Die insgesamt acht Kandidierenden für sieben Sitze haben einen mehr oder weniger engen Bezug zu Zahlen.

Bei ihren «Werbspots» ging es in erster Linie darum, einen sympathischen Eindruck zu hinterlassen: Eine steile Lernkurve ist bei allen zu erwarten, denn ausser Armin Huber (Die Mitte) stellen sich ausschliesslich Neue zur Verfügung, die über mehr oder weniger viel Finanz-Vorwissen und Erfahrung mit Zahlen verfügen. Auffallend die Aussage des gebürtigen Deutschen Ale-xander Loose (SP): Er habe sich einbürgern lassen, um sich auf Gemeindeebene politisch einzubringen. Es sei beeindruckend, wie Meilen gesunde Gemeindefinanzen mit sozialem und solidarischem Verhalten kombiniere, «nicht wie in Berlin».

Begonnenes weiterführen

Acht Kandidierende für sieben Sitze sind es auch bei der Schulpflege, wo Cordula Kaiss (FDP) wieder als Präsidentin antritt und im Fall einer Wahl automatisch auch im Gemeinderat sitzt. Sie sei auch nach 13 Jahren hochmotiviert und finde ihre Aufgabe sehr interessant, sagte sie und erklärte, dass das weiterhin starke Wachstum der Schülerzahlen bei gleichzeitig ausgetrocknetem Arbeitsmarkt eine grosse Herausforderung darstellt. Auch die anderen beiden Bisherigen, Yvonne Tempini (parteilos) und Markus Hofmann (FDP) sagten, dass sie die begonnene Arbeit gerne weiterführen würden: Tempini im Bereich Integration und Hofmann im Ressort Liegenschaften. Die neuen Bewerber Martin Hegglin (Die Mitte) und Flavio Lardelli (SVP) betonten die Wichtigkeit von Schule und Schulpflege für die Gesellschaft, gerade in der Coronazeit, so Hegglin, aber auch aus persönlicher Sicht, wenn die eigenen Kinder schulpflichtig werden, so Lardelli.

Ideen gegen Elterntaxis gesucht

Moderatorin Philippa Schmidt forderte die Kandidierenden auf, Ideen für das Problem der Raumknappheit zu skizzieren. In den letzten sieben Jahren sei die Schule Meilen um 350 Kinder oder 16 Schulklassen gewachsen, bestätigte Markus Hofmann, das bedinge Lösungen, die in sehr guter Zusammenarbeit mit der Liegenschaftenabteilung der Gemeinde ge-funden würden.

Man müsse neue Schulhausbauten erstellen, auch wenn es viel koste, sagte Sara Wyss (FDP, neu), und Katharina Eggenberger (SP, neu) gab zu bedenken, dass man allfällige Tagesschulen schon mitdenken müsse, wenn geplant wird. Zu den Tagesschulen meinte Tonia Weibel (parteilos, neu), dass man auch die pädagogischen Fragen berücksichtigen müsse, nicht nur die baulichen.

Die weitere Diskussion drehte sich um das Thema Elterntaxi. Hier waren sich alle einig, dass die Kampagne «Cool Kids» der Gemeinden Meilen, Uetikon a.S., Männedorf und Stäfa eine sehr gute Sache sei und dass es weiterhin wichtig ist, die Eltern für das Thema zu sensibilisieren: «Sie sollen ihren Kindern den Schulweg gönnen, statt sie mit dem Auto zu fahren», sagte Hegglin.

Eine Stunde für den Gemeinderat

Der zweite Teil des auf zwei Stunden angelegten Abends gehörte den Kandidierenden für den Gemeinderat. Drei Frauen und acht Männer kämpfen um die acht Sitze, sechs von ihnen sind Bisherige, fünf bewerben sich neu.

Aus parteipolitischer Sicht ist die Auswahl breiter als vor vier Jahren. Von der FDP treten an Christoph Hiller (für das Präsidium), Verena Bergmann-Zogg, Heini Bossert und Alain Chervet (alle bisher), von der SP stellen sich Irene Ritz und Hanspeter Göldi zur Wahl (beide bisher), von der SVP Renato Vanotti (neu), von der Mitte Marzena Kopp (neu), von der GLP Denis Faoro (neu) und als Parteilose treten an Marcel Bussmann und Gregor «Gusti» Gimpert (beide neu).

Keiner Vorstellung bedurfte eigentlich der seit zwölf Jahren als Gemeindepräsident amtierende Jurist Christoph Hiller. Er sagte, er arbeite tagsüber in der Stadtverwaltung und abends und am Wochenende für die Gemeinde.

Verena Bergmann-Zogg sorgte für Heiterkeit, als sie meinte, sie habe im Rat das «traditionell weibliche Element» inne, «also die Finanzen» – für Meilen stimmt das allerdings seit Jahren. Ebenfalls bestens bekannt: Irene Ritz («ich bin seit Urzeiten im Gemeinderat») sowie der Meilemer Alain Chervet («ein relativer Frischling im Rat», jedoch in Meilen aufgewachsen und verwurzelt). Heini Bossert, der für die neue BZO verantwortlich ist sowie Hanspeter Göldi, der für die SP auch im Kantonsrat sitzt, dürften den Anwesenden ebenfalls bekannt gewesen sein. Auch Marzena Kopp wird ab Mitte April im Kantonsrat politisieren, sie war ausserdem bereits Schulpflegerin in Meilen. Weniger gut kennt man Renato Vanotti. Er erklärte, er sei aus beruflichen Gründen bisher «zu 60 Prozent unterwegs» gewesen und deshalb in Meilen weniger sichtbar. Nun möchte er aber in die Fussstapfen des scheidenden Gemeinderats Peter Jenny (SVP) treten.

Ein weiteres Gesicht auf der Bühne gehörte Löwen-Wirt Marcel Bussmann. Der Hausherr ist seit acht Jahren Präsident des Handwerks- und Gewerbevereins HGM und möchte sich nun im Gemeinderat für ein lebendiges Dorf mit gesundem Gewerbe einsetzen. Der Parteilose wird vom HGM unterstützt und strebt die Nachfolge des zurücktretenden Thomas Steiger (parteilos) an. Als jüngster und letzter Kandidat, jedoch mit der lautesten Stimme gesegnet, präsentierte sich Gregor «Gusti» Gimpert, geboren in Meilen. Er sagte, Meilen dürfe nicht zum naturhistorischen Museum verkommen, sondern müsse lebendig bleiben.

Steuersenkungen oder nicht?

Nach der Vorstellungsrunde sprach Philippa Schmidt die Kandidierenden auf das Thema Steuern an. Hier gingen die Meinungen auseinander. Während Verena Bergmann und Renato Vanotti klar für eine Steuersenkung plädierten, meinte Denis Faoro, eine Senkung jetzt bedeute eine Erhöhung in wenigen Jahren, und Gregor Gimpert sagte, das Budget solle nicht populistisch angepasst werden. Marcel Bussmann meinte, die Bevölkerung habe Ansprüche, die finanziert werden müssten, und auch Marzena Kopp hat einem tieferen Steuerfuss gegenüber Bedenken – man dürfe das Augenmass nicht verlieren. Hanspeter Göldi meinte, er sehe nicht, dass wir «vöriges Geld» hätten, er sei gegen eine Senkung.

Weitere behandelte Themen waren kostengünstiger Wohnraum sowie der einst in Planung befindliche, aktuell auf Eis gelegte Dorfsaal mit Platz für mehrere hundert Personen.

«Persönlich fände ich einen Saal schön», sagte Christoph Hiller – im Wahlkampf dürfe er das ja sagen und müsse sich nicht ans Kollegialitätsprinzip halten. Konkret gelte es natürlich die demokratischen Prozesse einzuhalten. Alain Chervet würde sich ebenfalls über einen Saal freuen, doch wäre eine Turnhalle für die Vereine wohl wichtiger, und vermutlich am wichtigsten seien eben neue Schulhäuser. Gregor Gimpert sagte, ein Saal sei nicht nötig: «Wir können manches auch digital machen.» Dass eine digitale Gemeindeversammlung nächstens zum Standard werden könne, wurde von den bisherigen Gemeinderäten angezweifelt.

Klimaziele und Zusammenarbeit mit anderen Gemeinden

Ob man als «Energiestadt Gold» beim Klimaschutz noch mehr machen könne und wenn ja, was, wollte die Moderatorin von den Kandidierenden nun wissen. Seine Partei fordere bis 2040 Klimaneutralität, sagte Denis Faoro von der GLP. Heini Bossert konterte, die von ihm präsidierte Energiekommission habe eine solche bereits für 2035 als Ziel vorgesehen, so fördere man zum Beispiel Energieverbünde, um vom Gas wegzukommen. Renato Vanotti wünschte sich Subventionen für Elektroautos – sehr zur Irritation von Gregor Gimpert: «Eben wurden doch noch Steuersenkungen gefordert.»

Die Frage der Moderatorin, ob Meilen im Zusammenhang mit dem Seewasserwerk Meilen-Herrliberg-Egg oder rund ums Thema Regionalpolizei von den Nachbargemeinden ausgenützt werde, sorgte dann eher für Verwirrung – auch bei den Bisherigen. Verena Bergmann-Zogg meinte, die Kosten würden aufgrund von Verträgen aufgeteilt und Hanspeter Göldi fügte an, eine Zusammenarbeit von Gemeinden wie etwa auch bei der Spitex sei grundsätzlich eine wichtige und gute Sache.

Um fünf Minuten nach neun Uhr wurde das Wahlpodium für beendet erklärt. Wer Lust hatte, konnte den Kandidierenden jetzt noch bei einem Glas Meilemer Weissen weiter auf den Zahn fühlen.

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