Amtliches, obligatorisches Publikationsorgan der Gemeinde Meilen
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Amtliches, obligatorisches Publikationsorgan der Gemeinde Meilen

Humanoider Pflegeroboter im Testeinsatz

Das Alterszentrum Platten Meilen unterstützt innovative Projekte in der Langzeitpflege. Der humanoide Roboter «Robody» feierte Schweizer Premiere in der Platten Meilen. Am vergangenen Freitag wurde er vorgestellt.

Alona Chartschenko, Co-Gründerin Devanthro; Heinz Pfenninger, Präsident Stiftung Alters- und Pflegeheim Meilen; Serenella von Schulthess, Geschäftsführerin Platten Meilen; Martina Carlucci, Co-Abteilungsleiterin Demenzwohngruppe; Rafael Hostettler, Co-Gründer Devanthro; Jürgen Lippl, Devanthro; Robody; Franziska Feusi, Leiterin Pflege & Betreuung Platten Meilen; Anna-Maya Tschopp, Pflegeexpertin Platten Meilen; Hanspeter Göldi, Stiftungsrat.

Mit entwickelt wurde der durch Menschenhand ferngesteuerte Pflegeroboter vom Münchner Startup des Schweizers Rafael Hostettler. «Robody» unterstützte während einer Woche im Rahmen eines Pilotprojektes die Mitarbeitenden im Alterszentrum in ihrem Pflege- und Betreuungsalltag. Er spielte mit den Bewohnenden Brettspiele, unterhielt sich mit ihnen, begleitete sie und übernahm logistische Aufgaben. Der Pilot in der Platten Meilen zeigt auf, dass die Vision der Pflege zum Beispiel vom Homeoffice aus in den nächsten Jahren Realität sein wird, und die Ressourcen von Pflegemitarbeitenden effizienter genutzt werden können.

Der Fachkräftemangel in der Pflege ist allgegenwärtig. Die Suche nach qualifizierten Mitarbeitenden ist eine der grössten Herausforderungen für Institutionen wie die Platten Meilen. Die Altersgruppe der älteren und hochbetagten Menschen stellt in Meilen mit rund 15’000 Einwohnenden einen wichtigen und immer grösser werdenden Anteil der Bevölkerung dar. Für die Altersgruppe der über 80-jährigen wird ein kontinuierliches Wachstum um rund zwanzig Personen pro Jahr erwartet.

Ältere Menschen verdienen Achtung und in einigen Belangen besondere Fürsorge, heisst es im Altersleitbild der Gemeinde. Der Eintritt in ein Alterszentrum wird von Betroffenen so weit wie möglich hinausgezögert. Das bedeutet, dass die Menschen, die sich für einen Umzug in ein Altersheim entscheiden, zunehmend betagt und pflegebedürftig sind. Es braucht die nötige Infrastruktur und qualifiziertes Personal. Diese Herausforderungen beschäftigen den Stiftungsrat und die Geschäftsleitung der Platten Meilen. Für sie ist klar, die personelle Situation wird sich so schnell nicht ändern, deshalb sind neue Ideen gefragt.

Die Vision Pflege und Betreuung aus dem Homeoffice

Der administrative Aufwand im Gesundheitswesen wird komplexer und aufwendiger. Die Digitalisierung im Gesundheitsbereich erleichtert gewisse Prozesse und Verwaltungsaufgaben können automatisiert werden. Durch den Einsatz von intelligenten Maschinen werden Pflegefachpersonen entlastet, damit mehr Zeit für die Pflege und Betreuung der Bewohnenden bleibt. «Es ist eine Frage der Zeit, bis wir auch in der Schweiz in der Pflege Roboter einsetzen werden,» ist Franziska Feusi, Leiterin Pflege und Betreuung der Platten Meilen überzeugt. Für sie ist klar, die Pflegeroboter werden die Pflegefachpersonen nicht ersetzen können, denn die physische Präsenz eines realen Gegenübers bleibt auch in der Langzeitpflege wichtig. Als Unterstützung hingegen, ist ein Roboter im Pflege- und Betreuungsalltag wertvoll und eine Entlastung.

Noch ist es eine Vision, dass die Pflegemitarbeitenden oder Angehörige mit ferngesteuerten Robotern für die Aktivierung und Betreuung nicht mehr vor Ort sein müssen und durch den humanoiden Roboter aus der Ferne aus mit der zu betreuende Person interagieren können. Mit dem Pilotprojekt «Robody» in der Platten Meilen wurden die Weichen für die Umsetzung der Vision gestellt.

Die Platten Meilen unterstützt Innovationen im Pflegebereich

In den nächsten Jahren werden Pflegefachpersonen der Boomer-Generation pensioniert und es kommen nicht genug junge Pflegefachpersonen nach, um die Pflegequalität in den Spitälern und in der Langzeitpflege zu gewährleisten. Diesem Problem möchte Serenella von Schulthess, Geschäftsführerin der Platten Meilen entgegenwirken. «Wir sind einerseits ein Ausbildungsbetrieb und bilden Pflegefachpersonen auf allen Stufen aus und andererseits unterstützen wir Innovationen im Pflegebereich. Mit dem Pilotprojekt in unserem Haus, erleben unsere Mitarbeitenden und Bewohnenden die Pflege und Betreuung der Zukunft schon heute.» Sie ist sich bewusst, dass die Qualität der Pflege- und Betreuungsaufgaben künftig nur dank technologischen Entwicklungen, die die Pflegefachpersonen entlasten, sichergestellt werden kann.

«Robody», der humanoide Pflegeroboter mit Schweizer Wurzeln

Das Münchner Startup Unternehmen Devanthro wurde vom Schweizer Rafael Hostettler mitgegründet. Nach Abschluss seines Masterstudiums in «Computational Science & Engineering» an der ETH in Zürich, zog es Hostettler an die Technische Universität München. Fasziniert von den Möglichkeiten der Robotik und der Vision im Kopf, eine Welt zu schaffen, in der Distanz nicht länger durch menschliche Berührung und echtes gemeinsames physisches Vorhandensein eingeschränkt wird, begann er mit Mitgründerin Alona Chartschenko und einem Team von Spezialisten humanoide Roboter zu entwickeln. «Wir haben das letzte Jahrzehnt damit verbracht, zu erforschen und zu verstehen, wie man menschliche Körper in Roboter umsetzen kann.» erklärt Hostettler.

Mittlerweile wurde «Robody» zum ferngesteuerten Pflegeroboter entwickelt. Die Schweizer Premiere darf «Robody» mit einem Einsatz in der Platten Meilen feiern. «Robody» unterstützte während einer Woche die Mitarbeitenden in ihrem Pflegealltag. «Mit diesem Live-Test leistet die Platten Meilen einen wichtigen Beitrag für die Weiterentwicklung von «Robody» und damit für die Pflegearbeit der Zukunft» sagt Rafael Hostettler.

Die Roboter für die ambulante und stationäre Pflege bieten Pflegefachkräften, Ärzten und auch Angehörigen, die Möglichkeit, Menschen rund um die Uhr aus der Ferne durch menschenähnliche Roboter-Avatare zu betreuen und ermöglichen eine ortsunabhängige Interaktion von Mensch zu Mensch.

Die Steuerung von «Robody» erfolgt aus der Ferne

«Robody» ist ein menschenähnlicher Roboter mit zwei Armen und mobil auf Rädern. «Unsere Umwelt ist von Menschen für Menschen gemacht. Bei der Entwicklung haben wir «Robody» so konstruiert, dass die alltäglichen Funktionen, wie beispielsweise eine Türe zu öffnen, von einer Person intuitiv geführt werden können,» erklärt Hostettler.

Der Pflegeroboter wird von Menschen über eine beliebige Distanz über das Internet gesteuert und bewegt sich nicht autonom. In der Platten Meilen wurde «Robody» durch eine Pflegemitarbeiterin gesteuert. Sie trug eine handelsübliche VR-Brille und hielt in jeder Hand ein Steuerungsgerät, welches einem Joystick ähnelt. Kameras übertragen das Portrait der Mitarbeiterin auf den Screen in «Robodys» Gesichtsfeld.

Über einen Lautsprecher kann sich die Pflegemitarbeiterin über «Robody» mit ihrer Stimme mit den Be- wohnenden unterhalten. Für die nötige Vertraulichkeit sorgt die verschlüsselte Datenübertragung über ein WLAN. «Wird ‹Robody› von einem Angehörigen aus der Ferne bedient, kann der Roboter einfach in ein bestehendes WLAN integriert werden,» erklärte Hostettler. Die Distanz spielt dabei keine Rolle.

Wie «Robody» die Pflege- und Betreuungsarbeit entlastet

Ein Roboter, der im Gesundheitsbereich eingesetzt wird, muss so gebaut sein, dass sich niemand verletzt. Sein Körper muss weich und stabil sein, damit er auch bei einer festeren Umarmung stehen bleibt. In der Platten Meilen wurde «Robody» gleich doppelt gefordert. Während seiner Arbeitswoche im Alterszentrum am Zürichsee, wurde er sowohl in der Demenzwohngruppe als auch auf den Pflegeabteilungen eingesetzt.

Franziska Feusi und Rafael Hostettler hatten ein detailliertes Programm mit Aufgaben für den Pflegeroboter ausgearbeitet. «Robody» wurde während dieser Pilotwoche auf seine Fähigkeiten getestet. Türen öffnen und schliessen, Bewohnende am Morgen aufwecken, Pflegematerial verstauen oder Bewohnende zu Mahlzeiten und Aktivitäten begleiten, sind Aufgaben, die «Robody» problemlos erledigt. Auch kann der humanoide Roboter Post verteilen, Rosen verschenken, mit den Bewohnenden Brettspiele spielen und sogar malen. Durch diese Unterstützung bekommen die Pflegemitarbeitenden mehr Zeit, die sie mit und bei den Bewohnenden verbringen können.

«Robody» in der Demenzwohngruppe

Fakt ist, die Menschen werden immer älter und die Demenzerkrankungen nehmen in den nächsten Jahren stark zu. Das sind weitere Herausforderungen für die Langzeitpflege. Für das Team von Devanthro ist die Arbeit in der Demenzwohngruppe der Platten Meilen wichtig, um zu erfahren, wie Menschen mit einer Demenzerkrankung auf den humanoiden Roboter reagieren. Die Bewohnenden zeigten weder Angst noch Scheu vor dem besonderen Gast und begannen gleich mit ihm zu interagieren. «Diese Erfahrung ist für uns von ganz besonderem Wert, denn wir hatten noch nie die Möglichkeit über längere Zeit mit an Demenz erkrankten Menschen zu arbeiten,» sagt Hostettler. Franziska Feusi ist überzeugt, dass besonders in der Betreuung und Aktivierung von Menschen mit einer Demenzerkrankung, «Robody» eine wertvolle Ergänzung sein wird.

«Mit diesem Praxistest ist es uns möglich, die Ansprüche der Bewohnenden auf den Pflegeabteilungen und in der Demenzwohngruppe sowie den Mitarbeitenden noch besser kennenzulernen. Gleichzeitig erfahren wir, wo wir in der Weiterentwicklung ansetzen müssen, um Mitarbeitende in Pflegesituationen oder Angehörige, die eine Betreuungsaufgabe aus der Ferne wahrnehmen, noch besser zu unterstützen,» erläuterte Hostettler. Ziel ist es bis ins Jahr 2027 einen marktreifen Roboter vertreiben zu können.

Eine Mischung aus Neugier, Sympathie und direkter Interaktion

Die Reaktionen auf den Roboter, der immer von einem Menschen gesteuert wird, sind durchwegs positiv. Martina Carlucci, Co-Abteilungsleiterin der Demenzwohngruppe, hatte sich bereit erklärt, den «Robody» zu steuern. «Was mich überrascht hat, ist wie schnell die Bewohnenden eine Beziehung zu mir im Roboterkostüm aufgebaut haben,» beschreibt sie ihre erste Erfahrung. Auch sie ist überzeugt, dass Pflegeroboter künftig den Pflegealltag entlasten werden.

Die Bewohnenden reagierten mit Neugier auf «Robody». Die Mitarbeiterin, die ihn steuerte, stellte sich vor und sofort entstand eine Beziehung. Eine Bewohnerin sprach ihn an, unterhielt sich mit Martina, die den «Robody» steuerte und erzählte, dass sie auf dem Weg in die Maniküre sei. Es war so, als würde Martina in Person vor ihr stehen. Beim «Eile-mit-Weile»-Spielen vergass ein Bewohner sogar, dass Martina alias «Robody» die Spielzüge aus der Ferne steuerte.

Serenella von Schulthess und Franziska Feusi ziehen nach dieser Woche ein positives Fazit. «Es hat uns immer wieder beeindruckt, wie ‹Robody› von den Bewohnenden und Mitarbeitenden gleichermassen akzeptiert und in den Alltag integriert wird.» «Diese Woche hat uns erneut bestätigt, dass wir mit ‹Robody› in naher Zukunft einen Beitrag gegen den Fachkräftemangel leisten und damit die Pflege und Betreuung durch Pflegefachpersonen sicherstellen können.», bestätigte Rafael Hostettler. Ihm und seinem Team ist es bewusst, dass es noch eine Weile dauern wird, bis «Robody» über alle Fähigkeiten verfügen wird, die den Pflegemitarbeitenden eine vollständige Entlastung bringt. Doch jeder Live-Test bringt sie näher an ihr Ziel, um das Zusammenspiel zwischen Mensch und Maschine vollumfänglich in den Pflege- und Betreuungsalltag zu integrieren.

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