Amtliches, obligatorisches Publikationsorgan der Gemeinde Meilen
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Amtliches, obligatorisches Publikationsorgan der Gemeinde Meilen
Den vergangenen Weihnachtsmarkt hat erstmals Shaun Knight für den Meilener Anzeiger fotografiert. Sein Portfolio zeigt eindrückliche Bilder aus ganz unterschiedlichen Gebieten. Immer aber steht für den Profifotografen der Mensch im Zentrum.
Am Markt in Meilen hat Shaun Knight so fotografiert, wie er es bei seinen Dokumentationen und Reportagen immer tut: Er wurde Teil der Situation, schoss Bilder quasi spontan aus dem Moment heraus ohne Blitzlicht oder Stativ zu verwenden, und achtete dabei doch genau darauf, dass Komposition und Aussage stimmen.
«Ich bin abends beim Umzug einfach mitgelaufen und habe mich zu den Samichläusen gesellt», erzählt er. So entstand zum Beispiel die Aufnahme mit dem kleinen Engel mit Pappflügeln, der den grossen Chlaus anstrahlt. Das Bild erzählt eine Geschichte, die Geschichte von Advent, Vorfreude, Stolz und vorsichtigem Respekt.
Die Gabe, sich mit allen zu verständigen
Shaun Knight ist, anders als sein Name es vermuten lässt, in der Schweiz geboren und aufgewachsen. Als Sohn einer italienischen Unternehmerin und eines südafrikanischen Künstlers war er aber schon früh auf der ganzen Welt unterwegs: Seine Eltern reisten mit ihm und seinem jüngeren Bruder nach Pakistan, Sri Lanka oder Indien – Länder, die der typische Schweizer vor 30 Jahren mit kleinen Kindern eher nicht besuchte. «Auf diesen teils abenteuerlichen Reisen habe ich gelernt, wie man dem Gegenüber begegnet», erzählt er bei einer Tasse Kaffee im «Lycka», «meine Eltern waren immer neugierig auf Menschen und hatten die Gabe, sich mit allen zu verständigen. Das hat mein ganzes Leben geprägt.»
Im Kindergartenalter erhielt der kleine Shaun dann bereits seine erste Kamera, eine Minolta, und vom Vater mit seinem strengen Auge gab es dazu Unterricht im Fotografieren.
Begleitet von Glück
Dass beide Eltern schon früh starben, zwang Shaun dazu, als junger Teenager selbständig zu werden und Verantwortung zu übernehmen. Die Fotografie war dabei immer sein treuer Begleiter, ebenso das Glück. Angst habe er jahrelang nicht gekannt, erzählt der 36-Jährige, obwohl er sich auf seinen Reisen in teils «unmögliche» Situationen gebracht habe.
Nach vielen Umwegen – er war unter anderem für die Schweizer Armee im Ausland tätig, arbeitete in einem Tech-Startup und leitete ein Bistro in Zürich – verwirklicht Shaun Knight seit zwei Jahren nun seinen Traum, als selbständiger Fotograf unterwegs zu sein.
Dabei hat er zwar seinen ganz eigenen Stil, aber zwei unterschiedliche Lebens- und Themengebiete: Einerseits die kommerzielle Arbeit für Firmen und Private, wo er unter anderem Business-Reportagen oder Porträts anfertigt, teils im eigenen kleinen Stäfner Studio. «Ich mache das sehr gerne, denn auch dort habe ich mit Menschen zu tun», sagt er, und schwärmt von seinen Auftraggebern, zum Beispiel «antaswiss». Das Unternehmen stellt den «Abfallhai» her und setzt sich ein für Kreislaufwirtschaft und Umweltschutz. Shaun Knight sagt, er wolle dem Abfalleimer mit seinen Bildern Leben einhauchen.
Gefährliche Themen
Mit dem verdienten Geld geht er dann auf fotografische Reisen, dies vor allem in Afrika und im südasiatischen Raum. Die Themengebiete sind schwierig, sperrig und oft auch gefährlich, weil politisch umstritten und in Weltgegenden, die nicht friedlich sind. Seine Herangehensweise verlangt viel Zeit. In Meilen mag es einfach sein, sich unter die Menge zu mischen, doch in Ghana sieht die Sache ganz anders aus. Bevor er seine Canon 5d Mark III überhaupt hervornehme, verbringe er mit den Menschen vor Ort viel Zeit, um sich kennenzulernen und Vertrauen aufzubauen, erzählt Shaun Knight. Und fügt an, er habe auch hier wieder Glück, denn er lerne interessante Menschen kennen. Und er könne von einigen Jahren Erfahrung im Einsatz für die Schweizer Armee profitieren.
Hinschauen und das Reale zeigen
Ein Projekt, das er schon länger verfolgt, ist die Dokumentation von «Sodom und Gomorrha». Diese riesige Siedlung in Accra im westafrikanischen Ghana ist nur provisorisch und steht buchstäblich auf einem Berg von Abfall, vor allem Elektroschrott. «Sucher» graben nach dem wertvollen Kupfer, «Brenner» trennen das Kupfer mit Feuer vom Plastik und Verkäufer machen es zu Geld. Drogen, Schwarzhandel und Waffen sind tägliche Begleiter. Die Menschen werden nicht alt, und vor allem Frauen sind ständiger Gewalt ausgesetzt, ohne die Chance auf eine bessere Zukunft.
Zwei bis drei Wochen höchstens halte er es jeweils in Agbogbloshie aus, berichtet Shaun Knight, bevor ihn Hitze, Luftfeuchtigkeit, Ungeziefer und giftige Rauchwolken krank machten. Doch wolle er jenen, die dort leben müssen, unbedingt eine Stimme geben: «Ich will das Reale zeigen, wirklich hinschauen und herangehen. Die Betrachter sollen den Moment mit mir teilen.» Seine Fotos sind atmosphärisch und strahlen immer eine gewisse Wärme aus; ihre Geschichte erschliesst sich oft erst nach ein paar Sekunden. So erkennt man etwa im Hintergrund die Gestalt eines Mädchens in einem gelben Kleid und realisiert, dass es offenbar am Arbeiten ist, statt zur Schule zu gehen.
Gesucht: ein Mäzen
Immer wieder stösst der Fotograf bei seiner Arbeit auf weitere Geschichten. Zum Beispiel auf schwimmende «Inseln» aus ausgemusterten Fast-Fashion-Textilien, die, aus Europa stammend, auch in Westafrika rasch zu Abfall werden und dann in Knäueln vor der Küste im Meer treiben, bevor sie an Land geschwemmt werden und sich dort wie Beton festsetzen, mit verheerenden Folgen für Umwelt und Bauern. «Letztlich werden auf diese Weise Klimaflüchtlinge produziert», sagt Shaun Knight nachdenklich – und erzählt von einem weiteren Thema, das ihn fasziniert: Das Leben von Migranten in Europa. Ein Langzeitprojekt, mit dem er sich seit Jahren beschäftigt.
Im nächsten Jahr wird der Fotograf wieder auf Reisen gehen, diesmal nicht nach Afrika, sondern in den Osten. Dieses Projekt ist aber noch nicht spruchreif, oder besser gesagt: «Diskretion ist nötig, damit ich eine Chance habe, es so umzusetzen, wie ich es mir vorstelle.»
Bis dann wird er weiter Geld beiseitelegen, um die Fotos zu finanzieren. Ausser, es findet sich ein Mäzen, «jemand, der an meine Arbeit glaubt», sagt Shaun Knight: «Um den ganzen Rest kümmere ich mich – es wäre mir eine Ehre!»
www.shaunknight.com
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