Amtliches, obligatorisches Publikationsorgan der Gemeinde Meilen
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Amtliches, obligatorisches Publikationsorgan der Gemeinde Meilen

Feldmeilen erhält ein neues Gesicht

Die Gemeindeversammlung vom letzten Montag widmete sich zur Hauptsache der Frage, wie das Areal rund um den Bahnhof Herrliberg-Feldmeilen in Zukunft aussehen wird. Die Anwesenden beschlossen, dem Grossprojekt von SBB, Meilen und Herrliberg grünes Licht zu erteilen.

16.6.25 Gemeindeversammlung_web
Nach der Gemeindeversammlung wurden für die über 350 Stimmbürgerinnen und Stimmbürger auf der Kirchenwiese warme Snacks und kühler Wein serviert. Foto: MAZ

«Möchten Sie nicht sitzen? Es könnte länger gehen…», wandte sich Gemeindepräsident Christoph Hiller am letzten Montagabend an zwei Stimmbürger, die in der gut gefüllten reformierten Kirche nur noch einen Stehplatz gefunden hatten. Auf der Traktandenliste stand als diskussionsträchtigstes Geschäft des Abends die Arealentwicklung Bahnhof Herrliberg-Feldmeilen, ausserdem sollten die 375 Anwesenden über die Jahresrechnung 2024 befinden sowie den Anschlussvertrag der Gemeinde Meilen mit Erlenbach zwecks Übernahme von ICT-Aufgaben absegnen.

Es geht um mehr als nur um einen SBB-Bahnhof

Den Einstieg in das Geschäft «Arealentwicklung» machte Christoph Hiller mit einem Rückblick auf die Entwicklung des Bahnhofs Herrliberg-Feldmeilen. Dessen Geschichte begann 1894 mit der Eröffnung des Stationsgebäudes, das zum damaligen grossen Ärger der Herrliberger auf Feldmeilemer Boden gebaut wurde. 1968 wurde das Gebäude mit einem modernen Betonbau ersetzt, und in den nächsten Jahren soll nun der gesamte im Eigentum der SBB stehende Perimeter rund um den Bahnhof entwickelt werden: als Gemeinschaftswerk von SBB, Meilen und Herrliberg. «Dabei geht es nicht nur um einen SBB-Bahnhof, sondern auch um einen neuen Bushof, eine neue Strassenführung, eine Aussichtsterrasse mit Spielplatz, eine Überbauung mit 46 Wohnungen und Gewerbe, ein Gastronomieangebot und den Erhalt des Güterschuppens», sagte Hiller.

Das entsprechende Gesamtprojekt umfasst drei Geschäfte, die allesamt an der Gemeindeversammlung abgesegnet werden mussten. Interessierte konnten sich schon vorab anhand von 41 auf der Website der Gemeinde online zur Verfügung gestellten Dokumenten mit total 463 Seiten davon überzeugen, dass sorgfältige Arbeit geleistet worden ist, ausserdem wurden im Vorfeld der Gemeindeversammlung diverse öffentliche Informationsanlässe durchgeführt. Es konnte also davon ausgegangen werden, dass die meisten Anwesenden schon einigermassen informiert an der Versammlung erschienen.

Aus zwei General-Wille-Strassen wird eine einzige

Hochbauvorsteher Heini Bossert präsentierte die Geschäfte 1 und 2, beginnend mit dem privaten Gestaltungsplan «Seeterrasse». Dabei handelt es sich um die Leitlinien, die einzuhalten sind, damit später eine Baubewilligung erteilt werden kann. Bossert zeigte eine Visualisierung der zukünftigen Situation rund um den Bahnhof aus Blickrichtung See: «Man hat sich bemüht, das Projekt ins Gelände einzugliedern.»

Verantwortlich für den Entwurf der Hochbauten, die vollständig von den SBB finanziert werden, ist die ARGE Hosoya Schaefer Architects AG/Gus Wüstemann Architects AG. Weitere Visualisierungen zeigten das neue Bahnhofsgebäude, die Seeterrasse und die neue General-Wille-Strasse: Dass die heutigen zwei Stränge der General-Wille-Strasse zu einer einzigen, abgesenkten Strasse vereinigt werden, habe einen Bushof mit sechs Haltekanten im Osten des Bahnhofsgebäudes überhaupt erst möglich gemacht, erläuterte Heini Bossert.

Im städtebaulichen Vertrag, Geschäft Nummer 2, werden die neuen Besitzverhältnisse geregelt, der Baumassentransfer, die Mehrwertabgabe sowie der Kostenteiler – vorgesehen ist, dass sich die SBB an den Groberschliessungsanlagen mit rund 10 Mio. Franken beteiligen. Die Gemeinde Meilen investiert rund 9,5 Mio. Franken, die Gemeinde Herrliberg als Nutzniesserin des Bushofs rund 5,5 Mio. Franken, wobei die entsprechende Urnenabstimmung in Herrliberg im Herbst stattfindet. Zu Gunsten der Gemeinden ist ein finanzieller Beitrag des Bundes aus dem Agglomerationsprogramm möglich. Betreffend Baumassentransfer erklärte Bossert, dass die SBB der Gemeinde 3,3 Mio. Franken dafür bezahlt, für den planerischen Mehrwert durch die Absenkung der Strasse gibt es 0,9 Mio. Franken.

Geschäft 3, den vom Planungs- und Baugesetz (PBG) vorgeschriebenen Teilerschliessungsplan, erläuterte Tiefbauvorsteher Alain Chervet. Ist der Teilerschliessungsplan genehmigt, sind es gemäss PBG auch die daraus folgenden Ausgaben. Deshalb wurde das Geschäft trotz der in Frage stehenden knapp 10 Mio. Franken Kosten von der Gemeindeversammlung behandelt und kommt nicht an die Urne.

Könnte man mehr herausholen?

Bei der anschliessenden regen Diskussion mit diversen Wortmeldungen kristallisierten sich in der Hauptsache zwei Standpunkte heraus: Während die einen Votanten das zukunftsgerichtete Projekt und die sorgfältigen Vorarbeiten lobten und darum baten, nicht das Haar in der Suppe zu suchen, pochten die anderen darauf, bei den SBB mehr herauszuholen.

So sagte etwa Rolf Zach, dass die Gemeinde vor allem Kosten habe, SBB Immobilien aber – dank den 46 Wohnungen zu vorteilhaften Ausnützungskonditionen – den Profit. Der aufbrandende Applaus wurde von Gemeindepräsident Christoph Hiller sofort unterbunden: «An der Gemeindeversammlung wird nicht geklatscht!» Eine Feldmeilemerin fragte rhetorisch, wem das Projekt wirklich nütze.

Skeptisch zeigte sich auch Wirtschaftsprofessor Reiner Eichenberger, ebenfalls ein Feldmeilemer: «Trotz Jubelgesängen sollte man der Gemeinde auf die Finger schauen, denn der Diskurs an der Gemeindeversammlung führt manchmal zu einem besseren Projekt.» Er störte sich vor allem an der Höhe der vorgesehenen Gebäude und an der Architektur des Bahnhofs: «So ein Sockelgeschoss aus Beton ist ideal für Sprayereien – eine Katastrophe, auch wenn es auf den Visualisierungen gut aussieht.» Christoph Hiller sagte dazu, dass der Gestaltungsplan gemäss Bau- und Zonenordnung gewisse Abweichungen im Vergleich zur Regelbauweise erlaubt; es sei selbstverständlich alles vorschriftsgemäss.

Ein Wurf, auch ohne Arkade

Heinz Wegmann, der in der Arbeitsgruppe des Quartiervereins Feldmeilen sass, welche sich mit dem Projekt befasste, nannte das Vorhaben hingegen einen Wurf, «städtebaulich unglaublich gut, trotz vieler Abhängigkeiten. Ob die SBB nun drei oder vier Prozent an den Wohnungen verdienen, ist ein Detail.»

Anwohner Erich Bleiker stellte einen Rückweisungsantrag für den Gestaltungsplan. Sein Wunsch: eine Galerie oder Arkade zwischen Güterschuppen und Zentrum Feldmeilen entlang der Strasse, um ein «Engnis» von 10,46 m Breite auf der Höhe seiner Liegenschaft zu beseitigen und den Fussgängern zu mehr Sicherheit zu verhelfen. Wie Heini Bossert schon vorher gesagt hatte, wurde diese Idee geprüft und verworfen: «Sie macht keinen Sinn für Strassenführung und Gebäude, das Trottoir ist durchgehend in ausreichender Breite geplant.»

Der Rest im Eilzugstempo

Kurz vor halb elf Uhr wurde die Diskussion nach einem entsprechenden Ordnungsantrag abgebrochen, und da die Gemeinderäte Bossert und Chervet auf die ihnen zustehende Replik verzichteten, konnte zur Abstimmung geschritten werden. Der Rückweisungsantrag Bleiker wurde klar abgelehnt, die drei Anträge des Gemeinderats hingegen je mit grosser Mehrheit angenommen. Somit ist klar: 2028 wird in Feldmeilen der Baustart zur Umsetzung des Projekts erfolgen, als erstes mit dem Bushof, der dann auch im Zusammenhang mit dem Bahnersatzbetrieb für den Ausbau der Doppelspur von Nutzen sein soll.

Die zwei verbleibenden Geschäfte wurden anschliessend im Schnellzugstempo vorgestellt und abgesegnet: Ein klares Ja mit wenigen Gegenstimmen ging ans Projekt der Zusammenführung der ICT-Organisationen der Gemeinden Meilen und Erlenbach, das Synergien nutzen will und für Meilen kostenneutral sein soll.

Einstimmig Ja sagten die inzwischen nicht mehr ganz 375 Anwesenden – einige hatten sich nach dem Traktandum «Bahnhof Herrliberg-Feldmeilen» verabschiedet – gegen 23 Uhr zur Jahresrechnung 2024, die von Finanzvorsteherin Verena Bergmann-Zogg präsentiert wurde und mit einem positiven Ergebnis abschliesst, dies dank höheren Steuererträgen und disziplinierter Haushaltsführung. Der Ertragsüberschuss beträgt 1,04 Mio. Franken statt des budgetierten Aufwandüberschusses von 4,77 Mio. Franken.

Dieser erfreuliche Abschluss konnte gleich anschliessend mit dem obligaten «Umtrunk» gefeiert werden, der diesmal nicht in der Seeanlage oder im «Löwen», sondern direkt auf der Kirchenwiese stattfand, ein Novum, das gefiel. Viele Meilemer blieben noch ein halbes Stündchen und liessen sich Wein und Häppchen schmecken.

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