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Erhellendes zur Dunklen Materie

Am vorletzten Sonntag war Prof. Dr. Laura Baudis, Professorin für Astrophysik an der Universität Zürich, zu Gast im Format «Zwischenräume» der reformierten Kirche Meilen. Laura Baudis kam direkt von der Sorbonne.

Laura Baudis Dunkle Materie_web
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Unterstützt wurde sie vom Musiker Dirk Sauer, der mit seinen Klängen den richtigen Ton traf, um den Vortrag über «Dunkle Materie» zu untermalen.

Nicht wenige Menschen fanden an diesem strahlend schönen Tag den Weg in die Kirche, um sich mit dem undurchsichtigen Thema vertraut zu machen. Die Besucher wurden denn auch nicht enttäuscht: In einer brillanten Präsentation wurde die Dunkle Materie (Dark Matter) erhellt und veranschaulicht.

Es gibt sie, aber woraus sie besteht, weiss man nicht

Verschiedene astronomische Beobachtungen legen die Anwesenheit von Dunkler Materie als wesentlichen Bestandteil des Universums nahe. Hinweise auf ihre Existenz gibt es viele, und sie müsste rund fünfmal häufiger sein als normale, sichtbare Materie.

Der Begriff «Dunkle Materie» stammt vom Schweizer Astrophysiker Fritz Zwicky, der 1933 feststellte, dass sich Galaxien im Coma-Galaxienhaufen weitaus schneller bewegen, als es die Gravitationskraft aller leuchtenden Objekte vermuten lässt.

Dass es Dunkle Materie gibt, ist wissenschaftlich unbestritten, doch woraus sie besteht, konnte bisher noch nicht nachgewiesen werden. Wissenschaftler gehen davon aus, dass es sich dabei um relativ schwere Teilchen handelt, die elektrisch neutral sind und nur schwach mit anderer Materie interagieren. Weil sich Dunkle-Materie-Teilchen beim Zusammenstoss mit anderen Teilchen kaum bemerkbar machen, sind sie äusserst schwer zu erkennen.

Ein Labor 1400 Meter unter der Erde

Laura Baudis und ihre Gruppe an der UZH experimentieren mit flüssigem Xenon. Das Edelgas hat einen schweren Atomkern und ist deshalb rund dreimal dichter als Wasser. «Wenn Teilchen der Dunklen Materie auf einen Xenonkern treffen, fliegen sie wie Billardkugeln weg», erklärt Laura Baudis in ihrem Vortrag in Meilen. «Dabei hinterlassen sie ein wenig Energie in Form von Licht und elektrischer Ladung. Mit sehr empfindlichen Fotosensoren können wir diese Energie messen.»

Solche Zusammenstösse sind allerdings so schwach und selten, dass sie von der kosmischen Strahlung in der Atmosphäre und den radioaktiven Zerfällen in allen uns umgebenden Materialien bei weitem übertönt werden. Messbar wird die Kollision von Dunkle-Materie-Teilchen mit Xenon also nur, wenn äussere Einflüsse vermieden werden. Deshalb betreibt Laura Baudis zusammen mit einem internationalen Forschungsteam  den XENONnT-Detektor in einem Labor 1400 Meter tief unter dem Fels des italienischen Gran-Sasso-Massivs. Der hochempfindliche Detektor fasst 8,6 Tonnen Flüssig-Xenon, das auf minus 100 Grad Celsius gekühlt wird. Er steht in einem Wassertank mit zehn Metern Höhe und zehn Metern Durchmesser, wobei das Wasser als zusätzlicher Schutz gegen störende kosmische und radioaktive Strahlung dient.

Mehrjährige Suche

Zurzeit nimmt der Detektor Daten auf, wobei das flüssige Xenon von 494 Fotosensoren beobachtet wird. Mehrere Jahre soll die Suche nach der Dunklen Materie mit dem neuen Detektor dauern, und Laura Baudis ist zuversichtlich, dass sich in dieser Zeit ein paar messbare Kollisionen ereignen werden. Dies reicht allerdings nicht, um die Eigenschaften der Teilchen zu bestimmen. Deshalb ist auch schon ein 50-Tonnen-Detektor, der DARWIN genannt wird, in Planung. Dieser wird mindesten zehnmal empfindlicher als XE-NONnT und erhöht damit die Chancen, den Dunkle-Materie-Teilchen auf die Spur zu kommen. Zur Zeit bauen Laura Baudis und ihre Gruppe einen Prototypen für DARWIN in ihrem Labor an der UZH, um neue Technologien zu testen, die dafür notwendig sind.

Mit ihrem Vortrag zeigte Laura Baudis auch, dass Theologie und Astrophysik zwar unterschiedliche akademische Richtungen sein mögen, die aber einiges gemeinsam haben, so etwa die Suche nach dem Sein und dem Sinn.

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