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Das Altersleitbild der Gemeinde Meilen will den gesellschaftlichen Zusammenhalt zwischen den Senioren mit diversen Massnahmen fördern. Unter anderem lädt die Gemeindeverwaltung alle zwei Jahre zum «Altersforum» ein.
 
 
 
  
Dieser Einladung folgten die äteren Meilemerinnen und Meilemer gerne. Der Löwen-Saal war am letzten Dienstagnachmittag bis in die letzte Stuhlreihe besetzt. Erwartungsvolles Gemurmel erfüllte den Raum, man spürte förmlich die Vorfreude und Neugierde auf das, was da kommen mochte.
Angekündigt hatte sich bereits zum dritten Mal in Meilen das Zürcher Forumtheater. Beim Forumtheater wird ein kurzes Theaterstück gezeigt, das eine soziale Alltagssituation zeigt, die anschliessend mit dem Publikum diskutiert, analysiert und teilweise neu dargestellt wird, basierend auf Ideen, Vorschlägen und Beiträgen der Anwesenden, die je nach Ausmass von Courage und Selbstsicherheit auch selber die Bühne betreten und mitspielen können.
Subjektiv und oft unsichtbar
Doch bevor die drei Schauspieler das reduzierte Bühnenbild betraten – es bestand aus ein paar Stühlen und zwei Tischchen –, begrüsste Hanspeter Göldi die Seniorinnen und Senioren. Der zuständige Gemeinderat für Gesundheit erklärte, welcher Themenkreis an diesem Nachmittag im Zentrum stehen sollte.
In den letzten Veranstaltungen hatte man sich den Themen Mobilität, soziales Umfeld und Demenz gewidmet. Diesmal sollte es um das Thema Einsamkeit gehen, und darüber hinaus auch um Fragen wie «wer bin ich noch, wenn ich beruflich nicht mehr eingespannt bin» und «wie kann ich Sinn und Befriedigung im letzten Lebensabschnitt finden».
Karin Hoffsten vom Forumtheater sagte einführend, dass Einsamkeit ein schwieriges Thema sei, das viele verschiedene Formen habe: «Mit 80 allein am Tisch sitzen, das ist gleichzeitig Klischee und Realität.» Einsamkeit sei sehr subjektiv und oft von aussen unsichtbar. In den folgenden Szenen werde man auch sehen, dass Einsamkeit keine Frage des Alters ist.
Blick hinter die persönlichen Kulissen
Die Szene spielte im Wartezimmer einer Ärztin. Drei Personen, die frisch pensionierte Andrea (Dagmar Kossow), Seniorin Ulla (Karin Hoffsten) und Schulleiter Fabian (David Wüthrich) erfuhren, dass sie wegen eines Notfalls länger würden warten müssen. Gegen aussen passierte daraufhin nicht viel, small talk über das Wetter versandete, die Wartenden starrten in die Luft oder auf ihr Handy. Ulla wurde während der Wartezeit dreimal von Walti, ihrem Mann, angerufen, der unter anderem wissen wollte, wo das Reserve-Klopapier sei, worauf die Wartegemeinschaft das Thema aufgriff und kurz über WC-Papier philosophierten. Dann wieder Stille.
Interessant wurde das Geschehen dadurch, dass jede der Figuren aus einer persönlichen Perspektive gezeigt wurde, quasi einen Blick hinter ihre persönlichen Kulissen gewährte. Ulla erzählte dem Publikum von ihrem schwierigen Leben mit Walti, der nach einem Schlaganfall im Rollstuhl sitzt und für gar nichts zu begeistern ist. Ihr gemeinsames einst hoch interessantes Leben voller Reisen und Unternehmungen ist eindimensional geworden. Ulla kann kaum das Haus verlassen, weil Walti sie braucht, sie fühlt sich trotz Hilfe der Spitex gefangen. Streitereien sind die Folge, nach denen sich beide entschuldigen, denn jeder versteht die Situation des anderen – eigentlich. Ulla ist frustriert, Walti deprimiert.
«Geniess es!»
Bei Andrea erlebten die Zuschauer, wie sie sich nach einem beruflich erfolgreichen Leben auf einen Drink mit einem ehemaligen Arbeitskollegen trifft, der noch mitten im Arbeitsprozess steckt und sie als Person kaum wahrzunehmen scheint – sie gehört offenbar zum alten Eisen, ist nicht mehr interessant. «Geniess es!», sagt der Kollege, bevor er sich vorzeitig wegen eines Termins verabschiedet.
Doch auch wer beruflich erfolgreich ist, kann einsam sein, klagt schliesslich der 40-jährige Schulleiter Fabian dem Publikum (leises Gelächter: «Der ist ja noch ein Kind!»). Er mag nach einem anstrengenden Tag nicht mehr aus dem Haus gehen, seitdem sich seine Freundin von ihm getrennt hat und ihn nicht mehr in Bars und an Veranstaltungen mitnimmt.
Einen Hund anschaffen oder reisen
Nun folgte der interaktive Teil, es waren die Zuschauerinnen und Zuschauer gefragt: Wie könnte man auf andere zugehen? Was kann man auch im Alter noch geben? Was liesse sich anders machen? «Und Sie müssen bei Ihren Vorschlägen nicht im Wartezimmer stecken bleiben», ermunterte Dagmar Kossow.
Genau das hatte die erste Zuschauerin, die sich zu Wort meldete, nicht vor. Im roten Blazer, mit keckem Kurzhaarschnitt und mit einem herzigen Hund an der Leine gab sie Tipps unter dem Titel «Action!». Frauen sollten rausgehen, zum Coiffeur gehen, sich schminken, sich farbig anziehen und sich einen Hund anschaffen, Schulleiter Fabian könnte einem Verein beitreten oder Sport treiben. Die Dame weiss durchaus, wovon sie spricht: Sie ist vor nicht allzu langer Zeit Witwe geworden. «Und nun kann ich nicht zu Hause warten, bis jemand zu mir kommt. Ich habe lange meinen Mann gepflegt, jetzt muss ich die eingeschlafenen Kontakte natürlich zuerst wieder reaktivieren.»
Schauspielerin Dagmar Kossow fragte in ihrer Rolle als Andrea, was denn Menschen tun sollten, die nicht so viel Energie hätten wie die Dame mit Hund, worauf sich viele Zuschauerinnen und auch ein paar wenige Zuschauer meldeten. Man könnte ein Inserat machen, dass man zweimal pro Woche fremde Hunde Gassi führen wolle oder auch einmal allein in die Ferien gehen oder mit dem GA in der Schweiz herumreisen oder eine Gruppenreise unternehmen oder sein Wissen im Repair Café zur Verfügung stellen.
Der Höhepunkt der Woche
Jemand schlug vor, die Zeit für eine Reise zu sich selber zu nutzen: «Welche Werte sind mir wichtig? Es ist eine wunderbare Chance, wenn man das herausfinden kann.»
Eine Dame aus dem Publikum wagte sich gar auf die Bühne zu Walti, der nun von David Wüthrich dargestellt wurde, und der klagte, er sei nur noch eine Last für alle. Mit freundlichen Fragen in der Rolle einer Besucherin aus der Freiwilligenarbeit schaffte sie es, dass Walti sich davon überzeugen liess, einen Spaziergang im Rollstuhl mit ihr zu unternehmen. Sie habe auch ein erfolgreiches Leben gehabt, meinte sie anschliessend: «Ich lasse noch heute ins Gespräch einfliessen, dass ich jemand war und jemand bin.» Sie erzählte auch, dass ein Meilemer Freiwilliger jeweils für sie den Wocheneinkauf erledige, und dass sie nach dem Verstauen der Waren gemeinsam einen Kaffee trinken: «Wir unterhalten uns so schön, das ist immer ein Höhepunkt der Woche.»
Nicht in der eigenen Welt
verharren
Abschliessend sagte ein Zuschauer, gerade diese Dame habe ihn besonders beeindruckt, weil sie Empathie und Liebenswürdigkeit ausstrahle. «Wir alle können uns häufiger so verhalten, also einsame Menschen abholen, statt in der eigenen Welt zu verharren.»
Gemeinderat Hanspeter Göldi bedankte sich für alle Anregungen und sagte zusammenfassend, gerade «niederschwelliges Handeln» sei wichtig. Man solle in der Nachbarschaft doch einfach mal fragen: «Wie geht es dir? Kann ich etwas für dich tun?» Oder noch besser sei es, zu bitten: «Kannst du etwas für mich tun?», denn Hilfe zu geben sei manchmal einfacher als Hilfe anzunehmen.
Speziell wies er auf das Angebot der Senioren-Infozentrale hin. Jeweils montags und mittwochs zwischen 8.30 und 11.30 Uhr hat dort unter Telefon 058 451 53 30 jemand ein offenes Ohr für alle Anliegen und Fragen.
Angebote der Altersarbeit
Dass die Themen Einsamkeit und Selbstwert sich nicht in knapp zwei Stunden abschliessend behandeln lassen, war wohl allen Anwesenden klar. Doch war es für manche vielleicht nur schon eine Erleichterung, wieder einmal zu realisieren, dass sie mit ihren Sorgen nicht allein sind. Und wer weiss, vielleicht wurden auch direkt an diesem Nachmittag neue Bekanntschaften geknüpft oder bestehende «reaktiviert».
Weitere Angebote der Altersarbeit gab es im hinteren Teil des Saals zu entdecken, wo Stände von diversen Organisationen aufgebaut waren. Von Alterszentrum Platten bis Frauenvereine wurden vertiefte Informationen geboten. Auch die Mitglieder der Arbeitsgruppe Alter der Gemeinde Meilen standen für Auskünfte zur Verfügung: Serenella von Schulthess (Alterszentrum Platten Meilen), Beata Antalova (Spitex Zürichsee), Sigrid Dänzer (Senioren-Infozentrale der Pro Senectute Kanton Zürich), Véronique Gerber (Sozialabteilung der Gemeinde Meilen) und Sandra Konrad (Sozialbehörde) waren gerne für ein Gespräch bereit. Der Apéro dazu wurde von der Gemeinde Meilen gespendet.
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