Amtliches, obligatorisches Publikationsorgan der Gemeinde Meilen
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Amtliches, obligatorisches Publikationsorgan der Gemeinde Meilen

Eine Passion für die Passion

Dass in Meilen 2024 ein Bach-Jahr gefeiert wird, hat viel mit Kantor Ernst Buscagne zu tun. Er wagt sich erstmals als Dirigent an die Johannes-Passion und ans Weihnachtsoratorium – und er hat das ganze Projekt ins Rollen gebracht.

Buscagne
Ernst Buscagne ist in der reformierten Kirche schon mehrfach mit dem Meilemer Barock-Ensemble aufgetreten (hier am Karfreitagskonzert 2023). Foto: Dieter M. Rahm

Natürlich gibt es für das «Bach-Jahr 2024» auch einen historisch verbürgten Anlass: Die von Johann Sebastian Bach (1685 – 1750) komponierte Johannes-Passion wurde vor genau 300 Jahren, nämlich am Karfreitag 1724, in Leipzig erstmals aufgeführt. Sie feiert also dieses Jahr einen runden Geburtstag. Die Kantorei Meilen und die reformierte Kirchgemeinde nehmen dies zum Anlass, über das ganze Jahr verteilt neun Anlässe mit Musik von Bach zu planen.

Bach im Mittelpunkt

«Als ich in der Kirchgemeinde und der Musikkommission nach einem Arbeitsaufenthalt in Amerika sagte, übrigens möchte ich in Meilen die Johannes-Passion aufführen, sind alle zuerst einmal erschrocken», erzählt Kantor Ernst Buscagne schmunzelnd. An der Yale University in New Haven hatte er gemeinsam mit seinem ZHdK-Kollegen Markus Utz wieder einmal mit den Studierenden des Meisterkurses am Meisterwerk Bachs gearbeitet. Buscagne hegt schon lange eine Passion für die Passion und hat sie auch schon in unterschiedlichem Umfeld «hoch und runter» gesungen, im Chor oder als Solist.

Doch das knapp zweistündige Werk zu dirigieren, das hatte er sich bis anhin nicht zugetraut. «Es endlich zu machen, war so etwas wie ein Kurzschluss-Herzensentscheid», sagt er heute. Sofortigen begeisterten Support erhielt er von seiner «Verbündeten in allem Möglichen und Unmöglichen», Organistin Barbara Meldau (sie besucht im Rahmen des Programms am kommenden 21. Januar als «Orgelfee» im Kinderkonzert die Familie Bach), und auch der Rest des Teams konnte sich bald dafür erwärmen, ein Jahr lang Bach in den Mittelpunkt zu stellen, mit der Johannes-Passion als Leuchtturmprojekt.

Direkt aus dem Publikum heraus singen

Gespielt wird am Karfreitag in der reformierten Kirche die erste von vier überlieferten Fassungen. Kerngruppe der insgesamt 80 auftretenden Sängerinnen und Sänger sind die rund 40 Mitglieder des Vokalensembles der Kantorei, die bis Ende März etwa zwei Dutzend Proben absolvieren werden. Es handelt sich um erfahrene Sänger, die musikalisch einen schnellen Zugang zum Stück finden werden. «Doch den Notentext quasi aus dem Inneren der anspruchsvollen Chorsätze verstanden zu haben, um ihn zum Klingen zu bringen, das wird eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen», sagt Buscagne.

Zum Vokalensemble kommen weitere rund 30 Personen, Projekt-Sänger der Kantorei Meilen, die im Gospel- bzw. Kirchenchor «Cantiamo insieme» oder bei «Juvem» im jungen Vokalensemble singen und ein halbes Dutzend Mal proben werden. Für sie hat der Dirigent fünf Choräle ausgewählt, die auch mit weniger Singerfahrung zugänglich sind. Speziell: Diese Interpreten werden bei der Aufführung direkt aus dem Publikum heraus mitsingen. «Das habe ich jetzt so erfunden», sagt Ernst Buscagne lachend. Manche Kollegen würden ob seiner Idee den Kopf schütteln, «aber das ist mir egal: Ich liebe solche Projekte, mit denen man Menschen irritieren, aber auch gewinnen kann».

Solisten aus der ZHdK und ein Barock-Ensemble

Für Buscagne ist Bach zwar «der Übermensch unter den Komponisten», vor dem er sehr viel Respekt hat, aber dank seiner langjährigen Beschäftigung mit ihm habe er inzwischen den Punkt hinter sich gelassen, «wo man vor lauter Respekt in die Versuchung verfällt, etwas zu machen, von dem man glaubt, dass es von einem erwartet wird». Er traue sich zu, in das Werk einzutauchen und dann von innen nach aussen zu arbeiten – dabei bewährte Aufführungsweisen zu berücksichtigen, aber auch manch neue Klangfarbe oder Ausdeutung zu finden.

Zusätzlich konnte er junge Solisten aus der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) für eine Teilnahme begeistern – er lehrt dort Chorleitung im Profil Kirchenmusik und freut sich, den Studierenden so eine Möglichkeit zum Auftritt vor 400-köpfigem Publikum zu bieten. Begleitet wird der Chor vom Meilemer Barock-Ensemble, mit dem Ernst Buscagne schon in früheren Karfreitags-Konzerten (Buxtehude, Telemann und Graupner) ab 2019 zusammengearbeitet hat. Die rund 20 Instrumentalisten spielen auf historischen Instrumenten wie Barockcello, Gambe oder Erzlaute, auch zwei Tasteninstrumente – Orgelpositiv und Cembalo – kommen zum Einsatz.

Der Klang der historischen Instrumenten ist weicher und leiser als heute. «Dank jahrelanger Forschung weiss man, dass man zu Bachs Zeiten aufgrund der Beschaffenheit der damaligen Instrumente auch anders musiziert hat», erklärt Buscagne.

Weihnachtsfestgottesdienst mit Oratorium

Neben der Johannes-Passion wird er am 25. Dezember 2024 als Weihnachtsfestgottesdienst auch Bachs Weihnachtsoratorium dirigieren – dieses Projekt ist sogar schon etwas älter, musste aber wegen der Corona-Pandemie vorübergehend aufs Eis gelegt werden. Ebenfalls unter der Leitung von Buscagne steht im Juni «Juvem meets Bach», wo sich junge Sängerinnen und Sänger des Vokalensembles mit Musik und Geist des grossen Musikers beschäftigen.

Ausserdem auf dem Programm: ein Singworkshop und Gottesdienst unter der Leitung des Deutschen Dieter Falk. Seine Spezialität ist Klassik in neuem Gewand. Falk werde gemeinsam mit dem Gospelchor die Bachchoräle gewissermassen aufrütteln, so Buscagne.

Das Bettagskonzert unter der Leitung von Barbara Meldau, die ihr 25-Jahre-Dienstjubiläum feiert, wird der höfischen Musik des Komponisten gewidmet sein, ausserdem singt der Kantorei-Chor «Cantiamo insieme» einige der berühmtesten Choralsätze Bachs. Dazu kommt ein Jazz&More-Anlass «mit jazzigen Tönen und pfiffigen Texten» zu Bach sowie «Kino und Orgel» mit Bach auf der Leinwand.

Die Kantorei Meilen steht vor einem intensiven Jahr – «das ist nicht Normalbetrieb», so Buscagne. Er persönlich freue sich am meisten auf den Schlusschoral der Johannes-Passion, bei dem er hoffentlich wissen werde, «dass es gut geworden ist».

Johannes-Passion: Karfreitag, 29. März, 17.15 Uhr, reformierte Kirche Meilen; Samstag, 30. März, 18.15 Uhr, reformierte Kirche Egg. Tickets: https://www.ref-meilen.ch/bericht/803 oder über kantorei-meilen.ch

Ausführliches Programm: www.ref-meilen.ch/bachjahr

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