Amtliches, obligatorisches Publikationsorgan der Gemeinde Meilen
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Die Schweizerische Vereinigung der Weinfreunde (ANAV) verleiht den Prix Ami du Vin an Personen, die sich um den Schweizer Wein verdient gemacht haben. Der diesjährige Preisträger: Der Meilemer Hermann «Stikel» Schwarzenbach.

Am 22. November erhielt Stikel Schwarzenbach im «Löwen» die Auszeichnung für die Ermöglichung der Entdeckung der «Hefe 1895», für die Förderung der Rebsorte Räuschling am Zürichsee und für seine weiteren Verdienste um einen qualitativ hochwertigen Weinbau.
Bahnbrechende Weinhefe
Der Ausgezeichnete sagt zwar bescheiden, nicht er, sondern der Weinmikrobiologe Jürg Gafner habe 2008 die Hefe 1895C entdeckt. Und das kam so: Stikels Vater Hermann Schwarzenbach sen. wollte alten Räuschling degustieren. Das war möglich, weil die Familie Schwarzenbach seit weit über hundert Jahren jeweils eine Anzahl Flaschen verschiedener Jahrgänge lagert. Da der Wein in jener Zeit, aus der die Degustationsflaschen stammen, nicht geschönt oder gefiltert wurde, dekantierte Stikel die uralten Tropfen. Jürg Gafner, ein enger Freund der Familie, bat ihn, ihm die Dekantierreste zu überlassen und fand in den Resten des Räuschlings aus dem Jahr 1895 zwei Saccharomyces cerevisiae – Hefen zur Traubenvergärung.
Gafner vermehrte die Hefen namens 1895A und 1895C und bat Stikel im Herbst, damit einen Gärversuch zu machen. «Ich machte den ‘Versuch’ mit total 25’000 Litern», erinnert sich Stikel. Und siehe da: Die Hefe funktionierte! Seit einigen Jahren ist 1895C im Handel erhältlich. Die zweite Hefe, 1895A, hat hingegen nur Stikel in seinen Vorräten. «Beide Hefen haben absolut kein Eigenaroma. Die 1895C macht wunderbare, sortentypische Weine, bei denen das Traubenaroma im Vordergrund steht», stellte Stikel begeistert fest. So ist es kein Wunder, dass die Hefe schon für die Herstellung vieler Weine verwendet wurde, die Auszeichnungen erhielten.
Forschergen seit Generationen
Vielleicht liegt die Liebe zum Labor in Stikels Genen: Sein Urgrossvater, der die 1739 erbaute Reblaube in Obermeilen im Jahr 1912 kaufte, hatte zuvor an der Königlich Preussischen Forschungs- und Lehranstalt in Geisenheim als Assistent von Hermann Müller-Thurgau gearbeitet, begleitete diesen an die Versuchsstation und Schule für Obst-, Wein- und Gartenbau in Wädenswil und amtete schliesslich als Direktor der Alkoholfreien Weine AG Meilen. «Ich interessierte mich schon immer dafür, was bei der Vergärung im Wein passiert. 1980 kaufte ich mir deshalb sogar ein eigenes Mikroskop», sagt sein Urenkel.
Das ehemalige Mauerblümchen Räuschling
Seit Stikel Schwarzenbach 1986 das Weingut übernommen hatte, setzte er sich wie sein Vater für die Traubensorte Räuschling ein. Damals fristete die früher weit verbreitete Sorte am Zürichsee ein Mauerblümchendasein. «Sie ist sicher nicht die einfachste Sorte. Sie verrieselt gerne, wenn es während der Blüte zu kalt ist. Bei guten klimatischen Bedingungen produziert sie riesige Trauben, deren Beeren im Zentrum nicht reif werden. Damit bleibt der Zuckergehalt zu niedrig, und es gibt keinen rechten Wein», erklärt Stikel. Bei geringerem Ertrag ergebe sie aber einen Wein mit filigraner Aromatik und einem faszinierenden Zitrusfrucht-Veilchen-Aroma.
Die Begeisterung für den Räuschling hat Stikel auf andere Weinbauern übertragen. Inzwischen findet sich die Traubensorte bei fast allen Zürichsee-Winzern. Zusammen mit Rico Lüthi und Monica Hasler Bürgi hat Stikel 2008 den ersten Jahrgang R3 kreiert (die Zahl 3 verweist auf die drei Winzer), einen Räuschling von drei Winzern und drei Böden, der bis heute angeboten wird.
Aber auch andere Rebsorten und Anbaumethoden wurden mit der Zeit dank dem Pionier am Zürichsee en vogue. Er entwickelte viel Know-how seines Vaters Hermann Schwarzenbach sen. weiter. Die Begrünung zwischen den Rebstockreihen zum Beispiel, «so ist praktisch kein Dünger und kein Insektizid nötig, höchstens Kompost zur Bodenverbesserung. Damit erreichen wir eine bessere Traubenqualität und robustere Rebstöcke, die widerstandsfähiger gegen Pilzkrankheiten sind.» Produziert wird seit Jahrzehnten nach IP-Suisse-Richtlinien.
Qualität statt Quantität
Auch die Palette der angebauten Traubensorten wurde stetig erweitert auf u.a. Sauvignon Blanc, Lemberger und Cabernet Sauvignon. Stikel Schwarzenbach war auch der erste, der «Barriques», kleine Holzfässer, in seinem Keller nutzte und «Cuvées» am Zürichsee produzierte – die Mischung verschiedener Traubensorten im Wein. So wurde der Weinbau am Zürichsee diverser und qualitätsbewusster, weg vom leichten Clevner und hin zu qualitiativ hochstehenden Weinen, die auch den internationalen Vergleich nicht scheuen müssen.
Etliche Weine von der Reblaube in Obermeilen haben eine Vielzahl von Auszeichnungen erhalten. «Vieles hat sich bewährt, anderes, wie den Anbau der Traubensorte Sémillon, haben wir nicht weiterverfolgt. Man lernt immer dazu.» Ein Credo, das sich Stikel seit seinem Aufenthalt Ende der 1970er-Jahre in Australien, wo er eine intensive Lernphase durchlief, bewahrt hat. Auch später tauschte er sich häufig mit renommierten Winzern aus, pflegt noch heute Kontakte in der ganzen Welt, war stets wissbegierig und offen. Er gab sein Wissen auch gerne weiter, bildete über 50 Lernende aus und stand allen stets mit Rat und Tat zur Seite, bestens unterstützt von seiner Frau Cécile, die ihm in vielen Belangen den Rücken freihielt.
Fünfte Generation bei Schwarzenbach Weinbau
Die gemeinsame Arbeit respektive der rege Austausch mit anderen Winzern besteht bis heute. Seit dem Ausbau von 2006 sind die Gebäude ausreichend gross, dass mehrere Winzer, die keinen Keller haben, dort ihren Wein herstellen können. Diese «Keller-WG», die innovative Arbeitsweise und das Qualitätsbewusstsein pflegt auch Stikels Sohn Alain: 2016 gab Stikel Schwarzenbach die Leitung des Weinguts an die fünfte Generation ab. Heute ist er Pensionär, bereist die ganze Welt, kocht mit Leidenschaft für Gäste und widmet sich dem Garten.
Nach einer Vertikaldegustation durch viele Jahrgänge von Räuschling und Pinot Noir mit anderen Trouvaillen bis zurück ins Jahr 1964 (!) aus dem Hause Schwarzenbach feierten am vergangenen Samstag rund 90 Personen mit Stikel die Verleihung des «Prix Ami du Vin» im Saal des «Löwen» und genossen ein hervorragendes Menu, natürlich begleitet von Weinen von Schwarzenbach Weinbau.
Ziel der Gründer der Schweizerischen Vereinigung der Weinfreunde (Association Nationale des Amis du Vin, ANAV) war es, die schweizerische Weinkultur mit ihren Traubensorten und Charakteristiken bekannt zu machen und zu fördern.
Die Vereinigung hat verschiedene Sektionen in der ganzen Schweiz. Mitglied werden können sowohl Fachpersonen wie auch weininteressierte Laien. Veranstaltet werden Degustationen, Vorträge, Ausflüge oder Weinreisen.