Amtliches, obligatorisches Publikationsorgan der Gemeinde Meilen
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Ein Leben für drei Pole

Nach der Kurz-Begrüssung von MGM-Co-Präsidentin Catrina Erb Pola bestieg der sattsam bekannte, in Meilen wohnende Stephan Klapproth die Bühne im Jürg-Wille-Saal des Löwen, schritt zu seiner humorigen, auf einer Wikinger Reminiszenz basierenden Begrüssung von Bergsteigerin, Bergführerin und Grenzgängerin Evelyne Binsack.

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Er streifte dabei die allgemeine Weltlage («sie ist ja zum Davonlaufen»), die Zähl-Irrtümer des Bundesamtes anlässlich der vergangenen Wahlen und die Bankenpleite von Crédit Suisse. So kam er event-gerecht zur Erkenntnis: «Dem höchstem Punkt der Erde strebt die Menschheit.»

Evelyne Binsack gesellte sich alsbald unkompliziert zu Stephan Klapproth auf die Bühne, um das mittlerweile projizierte Grossbild zur Mount Everest–Besteigung aus dem Jahr 2001 zu kommentieren. In lockerer Art berichtete sie eindrucksvoll von Mannschaft, überfahrenden «Eisstürzen» und Erdbeben im Himalaya. Auf die sich selbst gestellte Frage, warum sie nicht einen anderen Beruf, z.B. Pianistin gewählt habe, antwortete sie spassig: «weil ich nicht Klavier spielen kann». Aufnahmen von ärgst-steilen Berg-Felsenbildern begleiteten dabei ihre Äusserungen. Andererseits erwähnte sie auch, wie sie in Pubertätsjahren zur Einsicht kam, dass sie «uf jede Berg ufeseckle» wolle bzw. müsse.

Gar eindrücklich war das Bild von der Eiger-Nordwand-Besteigung ehe sie vom Aufstieg im Alleingang (!) 2001 auf den Mount Everest und früheren Versuchen anderer Gruppen (und deren Schwierigkeiten) berichtete.

Menschliche Wärme im Saal machte sich dann in der Schilderung der Feier zu ihrem Geburtstag auf 6000 m.ü.M., welche ihr die Kollegen bereiteten, breit. Ganz im Gegenteil dazu stand die Schilderung, dass sie im Aufstieg an Leichen «ehemaliger» Kollegen vorbeisteigen musste. Trotzdem erreichte sie am 23. Mai 2001 den Gipfel des Mount Everest auf 8850 m.ü.M.

Fast schon spassig berichtete sie ehrlich, dass sie neidisch sei auf Claude Nicollier, der die ganze Erde aus dem Weltraum hat sehen können, dieweil es ihr vom Mount Everest aus nur vorgekommen sei, als sähe sie über alle Wölbungen hinweg die Gesamtheit derselben.

Die Expedition zum Südpol führte 2006 bis 2008 von der Schweiz aus zu Fuss, mit dem Fahrrad und mit Schlitten über 25’000 km in 484 Tagen längs durch die Anden. Zu Bildern und Filmausschnitten erzählte Evelyne Binsack von den Strapazen durch Schnee, Eis und Wind, vom täglichen 7000-Kalorien-Verbrauch und dass ihr ein Kollege die kalorienreiche Spezialschokolade entwendete und sie daraufhin entkräftet fast ablebte. Sie erreichte dann doch noch die Südpolstation, wo Evelyne Binsack psychisch und physisch nur noch halbwegs funktionierte, aber sorgsam aufgepäppelt wurde. Ihre Erfahrungen gipfelten in der Erkenntnis: «Nicht wann, sondern wie komme ich ans Ziel.» Auf der Südpol-Expedition habe Sie dann gar das Gefühl gehabt «sich selber zu verraten» um etwas später dann doch zu konstatieren: «Die Willenskraft hat mich stets interessiert».

Die Nordpol-Expedition fand 2016 bis 2017 statt. Dafür hatte sie der Eisbären wegen eine Schiess-Ausbildung gemacht. In völliger Einsamkeit platzierten die vier Expeditionsteilnehmer sicherheitshalber nur ein Zelt, und trotzdem wurde eines dieser sich nähernden Tiere an der Tatze von einem Kollegen angeschossen, was zu erheblichen bürokratischen Komplikationen (mit gütlichem Ausgang) führte.

Anschliessend lud Stephan Klapproth das Publikum ein, Fragen zu stellen, welche Evelyne Binsack mit Ausdauer willig beantwortete, um im Epilog zu enden: «Folge – auch im Privatleben – dem Motto: Sage, was Sache ist.» Besser konnte die dynamisch-ehrliche Frau nicht charakterisiert werden. Zum Ende des virulenten Abends das treffende Zitat Heinrich Heines aus Stephan Klapproths Mund: «Die Schweizer haben Gefühle, so erhaben wie ihre Berge, aber die Ansichten der Gesellschaft sind so eng wie ihre Täler.»

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