Amtliches, obligatorisches Publikationsorgan der Gemeinde Meilen
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Ein Duo in Hochform

Das kulturelle Jahresprogramm der Mittwochgesellschaft führt 2023 in die Berge. Den Auftakt machte am letzten Freitag im Löwen-Saal ein Familiendrama inmitten der phantastischen Kulisse Graubündens.

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Volker Ranisch und Gian Rupf präsentierten ihre eigene Zwei-Personen-Fassung des hintergründigen Romans «Via Mala», Literatur des 1891 in Indien geborenen Schweizers John Knittel.

Der Autor schrieb seine Werke in Englisch und liess sich nach Reisen in Ägypten, Algerien und Tunesien 1939 in Graubünden nieder, wo er 1970 starb. Er wurde mit «Via Mala» (1934) weltberühmt. Der Roman verkaufte sich über zwei Millionen Mal, wurde mehrfach verfilmt und fürs Theater adaptiert (unter anderem 1937 im Zürcher Schauspielhaus). Dass Knittel Bündner Brauchtum und Mentalität bis ins Letzte kannte, macht der Roman schon fast beängstigend deutlich.

Artgerechte Darstellung vom Besten

Die Aufgabe, das Mehr-Personen-Stück zu zweit mit betont bescheidenem Bühnenaufwand zu realisieren, ist gewaltig. Das Duo erfüllte die Anforderung mit variabler Gestik und vielfarbigem Sprachgebrauch mittels reichhaltiger Farbenpalette hervorragend. Die verschiedenen Figuren im Familiendrama – Sägemüller, Advokat, Schwiegersohn, Gemeindepräsident, Taglöhner und Erzähler – erfuhren artgerechte Darstellung vom Besten, die diversesten Charakter- und Emotionslagen wurden treffendst verdeutlicht.

Schon die Eröffnung (in Schillerscher Sprachhandhabung) machte den Bezug zur Sagenwelt deutlich, hat doch dieser seinen «Wilhelm Tell» aus denselben Pfründen gewonnen. Passend dazu der Satz «Einheimische handeln nach eigenen Gesetzen», oder aber (dann in bestem Bündner-Dikalekt) «Dr Niid und dr Föhn sind dia eltischta Bündner».

Der Gang der Zeit

Beide Akteure bewiesen satte Körperbeherrschung und Agilität, bewegten sich virtuos auf dem Bühnenraum mit und über dem Büro-Drehstuhl und um den Kasten herum, als wären sie noch Jünglinge! Alles Hintergründige war dank Vordergründigkeit in reale Darsellung gedreht. Genial der Einfall, mittels Maultrommel den Gang der Zeit aufzuzeigen! Die vokalen Einlagen gipfelten gar im Mezza-voce-Duett voller schauerlicher Ironie, im leichtfüssigen Wechsel von gelesener Schilderung und schauspielerischer Darstellung.

Mit gutem Ende

Gesellschaftskritik fand ihren Niederschlag in der Formulierung «in der feinen Gesellschaft der Kantonshauptstadt», welche einem Schildbürgerstreich-Tanz modernerer Art vorausging. Schon fast chargiertes Augen-Spiel durfte im durchkonstruierten Text von John Knittel nicht fehlen – beide Protagonisten sind auch hierin Meister ihres Faches. Durch die Wirren des Romans mit Mord und Beziehungskisten allenthalben führte das Duo  flüssig, den Werdegang von heruntergekommmener Familie (nach etlichen Gerichtsterminen mit wiedergewonnenem Reichtum) farbig zeichnend.

Zu guter Letzt der treffende Abgang mittels der Feststellung «das Stück kommt zu einem guten Ende – ich hätte es nicht geglaubt!» Riesenapplaus für derart tiefschürfende und faszierende Darbietung war logische Folge.

Die nächste Veranstaltung der Mittwochgesellschft Meilen ist die Mitgliederversammlung am 29. März. Nicolas Senn und Elias Bernet werden sie umrahmen.

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