Amtliches, obligatorisches Publikationsorgan der Gemeinde Meilen
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Amtliches, obligatorisches Publikationsorgan der Gemeinde Meilen

Dorfrundgang wieder mit Teilnehmerrekord

Jeweils am letzten August-Samstag werden ausgewählte Quartiere und Gebiete in Meilen unter die Lupe genommen. Über 200 Meilemerinnen und Meilemer trafen sich heuer zum Dorfrundgang des Heimatbuchs und spazierten in einer der fünf Gruppen mit, um Spannendes zum oberen Teil von Feldmeilen zu erfahren.

Weder die Alusuisse noch ein Golfplatz hatten am Ende eine Chance gegen die grünen Wiesen, auf denen Landwirtschaft betrieben wird. Die Spaziergänger freut's. Foto: MAZ

Bereits im Ortsbus vom Bahnhof Meilen Richtung Eichholz war die Vorfreude gross: Der Bus war voll mit Meilemerinnen und Meilemern auf dem Weg zur Stöckenweid, dem Ausgangspunkt für die diesjährige Führung.

Aufgeteilt in fünf Gruppen, ausgerüstet mit Kopfhörern und einem Empfangsgerät, sollte man nun an 15 Stationen zwischen der Stöckenweid, dem Trünggeler, der Siedlung Bettenen und entlang dem Bünis- und Rossbach übers Tobel bis zum Weingut Hasenhalde Interessantes zur Geschichte und Entwicklung des Quartiers im oberen Teil Feldmeilens erfahren.

Thematisiert wurden etwa die immer wiederkehrenden Projekte für einen Golfplatz, die bisher trotz verlockenden finanziellen Angeboten verhindert werden konnten. Ausserdem ging es um das Haus am Dunkelried, in dem viele Kunstwerke des Meilemer Malers Max Geiser entstanden sind, um das Panorama mit Blick auf Vrenelisgärtli, Glärnisch, Etzel und Druesberg, um das Seewasserwerk, um die Wohnsiedlung Bettenen, um die Alusuisse, den Rossbach oder das Haus von «Pitschi»-Autor Hans «fis» Fischer, in dem heute die Meilemer Künstlerin Lea Pianna lebt.

Persönliche Anekdoten

Neben den genauen Recherchen, die aus Geschichten und Beiträgen aus alten Heimatbüchern zusammengestellt werden, leben die Rundgänge auch von Geschichten, die spontan auf dem Spaziergang erzählt werden – oft von Meilemerinnen und Meilemern, die bereits sehr lange im Dorf leben und viele Erinnerungen an die  besuchten Orte haben. So erzählte Otti Wegmann zum Beispiel vom Brand bei Tüscher Dach, welchen er als Feuerwehrmann zu löschen half, man erfuhr aus erster Hand, wie die Anwohner der Bettenen noch heute vieles gemeinsam organisieren und ihre Überbauung pflegen oder wie ein Reiheneinfamilienhaus zum Solitärgebäude umgebaut werden konnte – ein Glücksfall für den Hausbesitzer und anderswo praktisch nicht umsetzbar.

Von Dorfhochzeiten und «Pitschi», der Katze

Der Bach, der die Grenze zwischen Meilen und Herrliberg bildet, trägt zwei Namen: oberhalb der Humrigenstrasse heisst er «Bünisbach», unterhalb «Rossbach». Diese Grenze wurde einst zum Schauplatz einer Hochzeit. So habe es früher ein Gesetz gegeben, dass zu Hochzeiten nur Bürger jener Gemeinde eingeladen werden durften, in der die Hochzeit stattfand. Die Vermählung eines Meilemers mit einer Herrlibergerin sorgte für eine besondere Idee: Die Trauung sollte auf der Brücke direkt an der Grenze zwischen Herrliberg und Meilen stattfinden. In der Mitte ein Fass Wein, die Herrliberger Gäste sollten auf der einen, die Meilemer auf der anderen Seite der Brücke sitzen. Ein Regenschauer beendete die Festivitäten allerdings früher als geplant.

Am Tobelweg 26 liegt etwas versteckt ein verwinkelter Bau. Heute ist er der Wohnsitz der Künstlerin Lea Pianna, die auch schon im Ortsmuseum ausgestellt hat. Der Kern des Hauses war eine Armeebaracke, aufgestellt 1949, als der Maler, Grafiker und Illustrator Hans Fischer von Küsnacht nach Meilen zog. Die Baracke war das Wohnhaus der Familie. Später wurde sie durch einen Atelierbau ergänzt und 1957 erweitert. Hans Fischer, «fis», war ein äusserst vielseitiger Künstler. Sein Schaffen umfasste neben der Malerei auch Bereiche wie Zeichnung, Grafik, Cartoon (u.a. für den «Nebelspalter»), Trickfilm und Bühnenbild (für das Cabaret Cornichon), zudem 26 Wandbilder. Viele Schulhäuser wurden in den 1950er-Jahren mit Wandbildern von «fis» ausgeschmückt.

Bekannt wurde er vor allem durch seine Kinderbücher. Das wohl Bekannteste heisst «Pitschi» und handelt von einem kleinen Kätzchen, das immer etwas anderes als ein Kätzchen sein wollte; eine traurige Geschichte mit Happy End.

Die Figur «Pitschi» erfand und zeichnete er zuerst nur für seine Kinder. Erst später fügte er das Werk in seine Reihe von Kinderbilderbücher ein. «Pitschi», wie viele seiner anderen Kinderbücher, sind heute noch im Buchhandel erhältlich.

«Suurgörpsler» wird heute nicht mehr produziert

Zum Abschluss des Rundgangs erzählte Marcus Schneider vom Weingut Hasenhalde, wie er den Hof seines Vaters übernommen hat und ihn nun in fünfter Generation zusammen mit seiner Frau Myriam als reinen Weinbauernbetrieb führt. Die nächste Generation steht schon in den Startlöchern!

Wie wichtig der Weinbau in Meilen ist, wurde ebenfalls erzählt. Nachgewiesen ist er seit 1346, und in der 1902 von der Lehrerschaft herausgegebenen «Heimatkunde von Meilen» ist zu lesen: «Meilen ist mit 202,6 Hektaren Rebland die grösste Weinbau betreibende Gemeinde, nicht nur des Kantons, sondern der ganzen Schweiz.» Damals erstreckten sich die Rebberge bis weit hinauf an den Hang des Pfannenstiels, heute beträgt die Anbaufläche noch rund 18,5 ha. Davon 11 ha weisse und 8 ha rote Sorten.

Einst waren es 351 Weinbauern, heute sind noch dren drei als Selbstkelterer in Meilen tätig: Neben Marcus Schneider sind dies Alain Schwarzenbach und Marilen Muff in der «Reblaube» in Obermeilen sowie Heiri Bolleter auf der Aebleten, ebenfalls in Obermeilen. «Suurgörpsler», wie man früher qualitativ schlechten und sauren Wein nannte, wird nicht mehr produziert. Heute haben die Weine vom Zürichsee eine sehr hohe Qualität und sind über die Gemeindegrenze hinaus sehr beliebt.

Zum Abschluss des Rundgangs durften am Apéro die Weine der Hasenhalde auch gleich noch probiert werden. Bei Sonnenschein wurde noch lange über die Dorfgeschichte philosophiert.

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