Amtliches, obligatorisches Publikationsorgan der Gemeinde Meilen
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Amtliches, obligatorisches Publikationsorgan der Gemeinde Meilen
Bei Seen verläuft die Grenze, wie zu Anfang dieser Serie ausgeführt, in der Regel in der Seemitte. Betrachtet man den auch im Internet zugänglichen Meilemer Grundbuchplan nur oberflächlich, so liesse sich tatsächlich schliessen, dies gelte auch für die Gemeindegrenzen.
Wäre das tatsächlich so, stellte sich – angesichts der direkten kantonalen Hoheit über den See – sofort die Frage: Wäre dann die Hoheit der Gemeinde im See gegenüber derjenigen an Land reduziert, und falls ja, wie weit?
Betrachten wir den erwähnten Grundbuchplan hingegen ausschnittweise in höherer Auflösung, so sehen wir im See in gleicher Strichdicke zweierlei Grenzen: die eine dem Ufer entlang und die andere in der Seemitte. Wie nun?
Gemeindegrenze versus Bezirksgrenze
Wir haben verschiedene kantonale Amtsstellen befragt, wurden aber vorerst nicht klug, denn die Antworten lauteten, kurz zusammengefasst, so:
1. Die Grenzen der Zürichseegemeinden verlaufen mit nur unwesentlichen kleinen Abweichungen entlang den an den See anstossenden Grundstücken und – wie generell üblich – deren Grenzen entlang.
2. Die Bezirksgrenze Horgen-Meilen hingegen verläuft in der Seemitte. Sie wurde erst 1919 festgelegt, und zwar aus Anlass einer zuvor abgeschlossenen, die Fischerei betreffenden interkantonalen Übereinkunft für den Zürichsee und den Linthkanal.
Zwischen Seeufer und Seemitte
Daraus kann man schliessen: Die Gemeinden Meilen und Horgen haben keine gemeinsame Grenze, sind also in diesem Sinne gar nicht Nachbarn. Zwar ist von professoraler Seite zu hören, innerkantonale Gewässergrenzen seien gegenüber kantonalen und eidgenössischen generell «weitgehend bedeutungslos».
Dennoch stellt sich sogleich die Frage: Wie verhält es sich denn mit dem Gebiet zwischen Seeufer und Seemitte? Umfassen die beiden Bezirke Gebiete, die keiner Gemeinde zugehören? Demgegenüber lautet von zuständiger Seite die nächste Auskunft:
3. Neutrales «Bezirksgebiet» ausserhalb der Gemeinden existiert nicht; beim Seegebiet handelt es sich um direktes Staatsgebiet. Zürcherische Bezirke verfügen über keine eigene Gebietshoheit und dienen nur «zur dezentralen Erfüllung kantonaler Aufgaben» (so Art. 96 der Kantonsverfassung).
Damit wird es nun definitiv paradox: Das Gebiet zwischen Ufer und Seemitte gehört nicht zum Bezirk, aber dieser endet erst in der Seemitte?
Versuch einer Synthese
Wir versuchen, das scheinbar Unvereinbare folgendermassen zusammenzukleistern, und formulieren wie folgt: Die zürcherische Seefläche ist hoheitsmässig direkt dem Staat Zürich unterstellt; aber beauftragt für Aufsicht und (erstinstanzliche) Rechtssprechung in diesem Gebiet ist die dafür verantwortliche Bezirksbehörde.
Der seerechtliche Alltag
Betrachten wir den behördlichen Alltag, so ist allerdings aus den letzten Jahren kein einziger Fall bekannt, wo der Meilemer Bezirksrat punkto See tätig gewesen wäre. (Denkbar wäre etwa ein Stimmrechtsrekurs gegen eine Abstimmung im Zusammenhang mit dem Seerettungsdienst.) Hingegen verhängt das Statthalteramt des Bezirks gelegentlich Bussen bei Übertretungen gegen das eidgenössische Schifffahrtsgesetz und dessen Verordnung.
Gemeindezuordnungen
Nun sind innerhalb dieser Seefläche auch den einzelnen Gemeinden verwaltungsmässige Zuständigkeiten zugewiesen: einerseits für die amtliche Vermessung, konkret als Nachführungsstelle für die wenigen Aren Bodenfläche und Einzelobjekte, die seeseits der Gemeindegrenzen liegen, und, gewichtiger, für den Seerettungsdienst. Im Falle Meilens ist dieser regional zusammengefasst mit Uetikon und Männedorf (in Notfällen auch ausserhalb der betreffenden Grenzen). Übrigens misst die Meilen diesbezüglich zugeteilte Seefläche – mit eigener Katasternummer! – 5,07 km², weniger als halb so viel wie die der Meilemer Hoheit unterstehende Landfläche von 11,94 km².
Meilen und seine Nachbarn
Der Meilemer Gemeinderat betrachtet nicht nur die angrenzenden Seegemeinden Herrliberg und Uetikon als Nachbarn, sondern seit Beginn von Christoph Hillers Präsidium auch das offiziell gar nicht angrenzende Horgen. Mit diesen drei trifft er sich einmal pro Legislatur zu freiem Austausch – nicht aber mit dem direkt angrenzenden Egg im Bezirk Uster. Das ist wohl Auswirkung der Fähre, wogegen gegenüber Egg der anscheinend viel zu hohe Pfannenstiel und die kurvenreiche Strasse Ähnliches verunmöglichen.
Das nächste Mal folgt ein Blick auf die Rossbachgrenze: Ein nicht so verwickelter Fall, aber dennoch mit ganz neuen Aspekten.
Während beim Greifensee die gleiche Regelung gilt wie beim Zürichsee, gibt es daneben zwei Spezialfälle. Der eine besteht aus der Stadt Zürich, die seit 1989 nicht nur eine Gemeinde, sondern für sich allein schon ein Bezirk ist – die unterste Seefläche gehört demzufolge zur Stadt wie ein Stadtkreis. Beim zweiten Spezialfall handelt es sich um den Pfäffikersee: Da ist die Seefläche direkt auf die angrenzenden Gemeinden aufgeteilt.
Die unterschiedliche Behandlung der grossen Seen gegenüber den kleineren Seen ist historisch bedingt. Um die Frage zu klären, wäre eine intensive Suche im Staatsarchiv erforderlich, die bisher anscheinend noch niemand unternommen hat.
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