Amtliches, obligatorisches Publikationsorgan der Gemeinde Meilen
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Die Mieter müssen gehen, die «Innovationsmeile» kommt

Vor bald zwei Jahren wurde das Grossprojekt «Innovationsmeile» für innovative Unternehmen, Start-ups und Wohnen auf dem Grundstück der Schweizer Getränke AG in Obermeilen vorgestellt. Jetzt kommt Bewegung in die Angelegenheit – aber es läuft nicht rund.

Die Liegenschaften und das Bauland der ehemaligen Schweizer Getränke Obermeilen AG wurden von der Westschweizer Firma Realstone SA gekauft. Foto: MAZ

Rückblende: 2014 verkaufte die Schweizer Getränke Obermeilen AG (SGO) ihre Produktion an die Migros-Tochter Bischofszell Nahrungsmittel AG. Jahrzehntelang hatte sie unter der Marke «Obermeilen» Sirup, Limonade und Fruchtessenzen hergestellt, doch mit dem sich verändernden Marktumfeld wurde die SGO Liegenschaften AG zur reinen Immobiliengesellschaft. Der Bauentwickler Steiner AG agierte als Planer für die Weiterentwicklung der knapp 12’000 Quadratmeter umfassenden Grundstücke.

Eigentlich sollte ab 2023 gebaut werden

Im August 2020 stellte die Steiner AG für das Areal im Umfeld der Alten Landstrasse ein Projekt unter dem Titel «Innovationsmeile» vor, dessen Kernidee darin besteht, Leben und Arbeiten am gleichen Ort zu ermöglichen, und kündigte den Start der Vermarktung auf Anfang letzten Jahres an. Gebaut werden sollte ab 2023. Seither war es indes ruhig um das Projekt in Obermeilen, zumindest für Aussenstehende: Das letzte Update zur Innovationsmeile auf der Website der Steiner AG datiert vom Oktober 2020 und umfasst ein Interview mit einer Stadtentwicklerin zum Thema «permanenzfähige Welt» in Zusammenhang mit der «Wirtlichkeit» von Städten.

Kauf im Auftrag eines Immobilienfonds

Die SGO Liegenschaften AG blieb auch nach Lancierung des Projekts im Sommer 2020 weiterhin Eigentümerin der Grundstücke und vermietete sie an diverse Zwischennutzer. Wie Andreas Dietschi, Verwaltungsratsmitglied der SGO Liegenschaften AG, auf Anfrage des Meilener Anzeigers mitteilte, haben sich die Eigentumsverhältnisse im November 2021 verändert. Käuferin sämtlicher Liegenschaften war jedoch nicht die Firma Steiner AG: «Steiner war nie als Käufer vorgesehen oder aufgetreten, sondern agierte lediglich als Planer und anschliessend als Vermittler eines Investors.» Dieser heisst Realstone SA.

Die Westschweizer Firma wurde von Steiner ins Spiel gebracht und bezahlte im Auftrag des Immobilienfonds Realstone RSF für die Liegenschaften und das Bauland in Obermeilen nach eigenen Angaben insgesamt 27,4 Mio. Franken.

Bereits Grossprojekt in Horgen

Wie ein Sprecher von Realstone SA sagte, gehöre es zu den Markenzeichen des Fonds Realstone RSF, Wohnen, Gewerbe und Handwerk im Zeichen der Nachhaltigkeit und der sozialen Durchmischung zu fördern, wie es mit der Innovationsmeile geplant ist. Es sollen zahlreiche Flächen für Geschäfte, Handwerk und Leichtindustrie bereitgestellt werden, ausserdem Wohnraum unterschiedlicher Grösse von Studios bis zu 5-Zimmer-Wohnungen. Aktuell ist Realstone SA auf der linken Seeseite daran, in Horgen Oberdorf auf dem Areal der ehemaligen Textilmaschinenfabrik Schweiter ein energieeffizientes Quartierprojekt mit Hunderten von Wohnungen und Platz für Gewerbe umzusetzen. Mit der Innovationsmeile will der Fonds nach eigenen Angaben auch seine Präsenz in der Deutschschweiz weiter verstärken und geografisch diversifizieren.

Die aktuellen Mieter müssen auf Ende Jahr gehen

Auf wenig Begeisterung stossen die Obermeilemer Pläne indes bei den aktuellen Mietern der Gebäude. In den letzten fünf Jahren haben sich auf dem Areal diverse Zwischennutzer eingemietet, unter anderem eine Gartenbaufirma, ein Crossfit-Trainingsclub, Wim Ouboter mit seinem Elektroauto Microlino oder die Brockenstube See-Brocki. Sie haben die Vision eines lebendigen Kleinquartiers mit viel Herzblut bereits wahr gemacht. Doch nun soll bald damit Schluss sein: Allen gut drei Dutzend Mietern wurde bis spätestens 31. Dezember 2022 gekündigt, wogegen sie sich wehren; sie wünschen sich zumindest eine Fristverlängerung, bis zum Vorliegen eines Gestaltungsplans.

Sicherheitsbedenken als Grund

Allerdings wussten die Mieter seit 2018 vom bevorstehenden Projekt Innovationsmeile und hatten teilweise von Anfang an nur befristete Mietverträge, wie die Realstone SA betont. Und sie liefert eine Erklärung dafür, weshalb keine Erstreckung der Mietverhältnisse möglich ist: «Diese Gebäude entsprechen leider nicht mehr den Brandschutznormen und der Verordnung über elektrische Niederspannungsinstallationen NIV. Es ist aus offensichtlichen Sicherheitsgründen daher nicht möglich, diese gewerblichen Mietverträge zu verlängern.»

Die Räume für einen begrenzten Zeitraum auf den neuesten Stand zu bringen, stelle eine zu hohe Investition dar, wenn nachher ein neues Projekt geplant ist. Man verstehe die Enttäuschung der Mieter darüber, dass sie nun ausziehen müssen. «Aber ihre Unzufriedenheit wäre noch grösser, wenn es zu einem Zwischenfall im Zusammenhang mit den erwähnten Problemen kommen würde.»

Gemeinderat bietet Vermittlung an

Inzwischen sind die Schlichtungsbehörde des Bezirks Meilen sowie das Mietgericht involviert. Auch die Gemeinde Meilen hat sich, nachdem sich die Mieter hilfesuchend an sie wandten, eingeschaltet. «Der Gemeinderat bietet auf Wunsch Hand zur Vermittlung und hat dies den Beteiligten auch bereits offiziell angeboten», sagt Gemeindeschreiber Didier Mayenzet, eine Antwort der Realstone SA stehe allerdings aus. Die Argumentation betreffend Brandschutznormen ist ihm neu.

Obwohl es sich um ein privates Projekt handelt, «hat die Gemeinde natürlich einerseits ein Interesse daran, dass es in Obermeilen mit dem geplanten Projekt vorwärts geht, anderseits aber auch daran, dass die alten Gebäude so lange wie möglich genutzt werden.» Die Umsetzung der Innovationsmeile ist erst nach der Festsetzung des Gestaltungsplans möglich – so weit ist man indes noch lange nicht.

Die Realstone SA teilt diesbezüglich mit, der administrative Prozess für die Baubewilligung sei in vollem Gange. Ein Teilnutzungsplan sei eingereicht und werde derzeit geprüft. Da sich das Projekt noch in der Entwicklungsphase befinde, könne man keine konkreten Angaben zu Fristen oder Etappen machen, man werde aber zu gegebener Zeit informieren.

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