Amtliches, obligatorisches Publikationsorgan der Gemeinde Meilen
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Amtliches, obligatorisches Publikationsorgan der Gemeinde Meilen

Der Grosse Grüningerstein

Folgt man auf einer Karte oder einem Plan Meilens Grenze vom Bünisbach her in Richtung Pfannenstiel, so stellt man unweigerlich fest, dass es daran einen Punkt gibt, wo gleich drei Gemeinden zusammenstossen: Meilen, Herrliberg und Egg.

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Solche Punkte werden meistens in irgendeiner Art besonders ausgezeichnet – wir werden darauf noch generell zurückkommen. Beispielsweise übers Internet lässt sich auch herausfinden, dass sich dort ein spezieller Stein, eben der Grosse Grüningerstein aus historischer Zeit, befinden muss.

Schwieriges Finden

Schwieriger ist es, ihn zu finden. Denn der Ort, wo die drei Gemeinden aneinander grenzen, hat geändert – wiederum durch die bereits erwähnte Waldzusammenlegung und die Errichtung neuer Waldstrassen. Hilfe bot uns nach zwei Mal vergeblicher Suche Antonia Baumann, rührige Präsidentin des Verkehrs- und Verschönerungsvereins Herrliberg, die uns auch gleich zum Stein hinführte. Der Stein steht heute ganz auf Herrliberger Boden, d.h. nicht nördlich, sondern südlich des Schlagweges, seit kurzem (nach unserer Suche) immerhin mit einer Tafel gekennzeichnet. Er liegt etwas versteckt dort, wo der Schlagweg – von der Guldener Höchi aus gesehen – zu einer leichten Rechtskurve ansetzt und linkerhand ein Trampelpfad oder Holzweg in den Wald hineinführt. Nach gut zwanzig Metern ist das leicht versteckte Ziel erreicht.

Überraschende Initialen

Ist er endlich gefunden und betrachtet man ihn näher, staunt man zuerst: Daran gewöhnt, dass Grenzsteine auf jeder Seite mit den Initialen der betreffenden Gemeinde gekennzeichnet sind, würde man je ein M für Meilen, ein H für Herrliberg und ein E für Egg erwarten. Darauf stehen hingegen die Buchstaben M, K und GN – K für die Obervogtei Küsnacht, zu der Herrliberg bis 1798 gehörte, und GN für die Landvogtei Grüningen, die damals den westlichen Teil der heutigen Gemeinde Egg umfasste. (Vgl. Ausführungen und Kartenausschnitte im dritten Artikel, Meilener Anzeiger vom 14. Oktober 2022.) Es handelt sich also eindeutig um einen historischen Grenzstein aus dem Ancien Régime. Von wann, ist nicht bekannt; es könnte irgendwann zwischen 1416 und einem Datum im 17. oder 18. Jahrhundert sein. Der grosse «Findlings-Grenzstein» ist eine Rarität und gilt deshalb offiziell als «extrem wertvoll»; er ist dementsprechend im «Inventar der Denkmalschutzobjekte von überkommunaler Bedeutung» aufgeführt

Ein Findling des Linthgletschers

Es handelt sich um einen mehr als einen Kubikmeter grossen, im Grundriss ungefähr dreieckigen, rund 190 x 150 x 150 cm messenden, sichtbar 90 cm hohen, aber zum Teil in der Erde steckenden Findling des Linthgletschers, auf 845 m ü. M. der höchstgelegene auf dem Pfannenstiel. Er besteht aus Sernifit oder Glarner Verrucano und stammt aus dem Sernftal. Die erwähnten Inschriften sind je 23  bis 38 cm hoch und 15 mm breit, dazu rund 15 mm tief eingehauen, ebenso auch eine Kerbe, welche den Grenzverlauf angibt. Weitere Bearbeitungsspuren fehlen. (Alle Detailangaben erhalten von der Kantonalen Denkmalpflege.)

Religiöse Geometrie in der Urgeschichte?

Armin Frey (Blonay, VD), beteiligt am Inventar der schweizerischen Steindenkmäler, studiert geometrische Verbindungen zwischen Kirchen untereinander sowie zwischen Kirchen und Findlingen. So hält er etwa bezüglich des «Grossen Grüningersteins» fest, dass die Gerade zwischen diesem und der Kirche Kilchberg mit 9.16 km Luftlinie «äquidistant» (gleich lang) ist wie diejenige zur Kirche Meilen, «einem sehr alten Kirchenstandort». Ebenso ist nach seiner Feststellung einerseits die Linie Kirche Kilchberg – Kirche Erlenbach ZH gleich lang wie diejenige Kirche Kilchberg – Kirche Meilen, aber auch zwischen der Kapelle Friedlisberg in Rudolfstetten AG zum Grossen Grüningerstein und zur Kirche Meilen.

Gegen solche Konstruktionen erhebt Dr. Beat Eberschweiler, Leiter Archäologie und Denkmalpflege des Kantons Zürich, grosse Einwände. Denn selbst wenn solche «Äquidistanzen» stimmen: Wie ist zu belegen, dass diese auf bewussten Entscheiden beruhen? Ebenso gäbe es wohl unzählige Parallel-Fälle, wo keinerlei Äquidistanzen bestehen – es liesse sich «so ziemlich alles mit Linien verbinden und in irgendeinen Zusammenhang bringen». Mit grösster Wahrscheinlichkeit hat man ja den Grenzstein nicht so gesetzt, dass er mit irgend etwas eine Äquidistanz bildet, sondern umgekehrt die Grenze nach diesem Stein «in Gletscher-bedingter Zufallslage» gezogen. Freys Konstruktionen hätten also «bei einer gründlichen Prüfung einen sehr schweren Stand».

Das nächste Mal gehen wir in einem Exkurs dem Phänomen prominenter und weniger prominenter Dreiländerecken nach.

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