Amtliches, obligatorisches Publikationsorgan der Gemeinde Meilen
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Amtliches, obligatorisches Publikationsorgan der Gemeinde Meilen

Der Biogarten ist lauter als die Böschung

Dass der Boden tönt, ist bei näherer Überlegung nicht überraschend, schliesslich ist er belebt mit unzähligen Tierchen von Asseln bis Zikaden. Dank einem Mikrofon konnte man am Dienstag letzter Woche live hören, was sich in der Meilemer Erde tut.

Am Chorherrenweg wurden zwei Stellen belauscht: Die Böschung und der Rebberg.

«Wie ein Rascheln», «wie Donner», «ein Schmatzen, Klappern und Klicken», «eine Art Knurpsen» – so beschrieben die rund 20 Teilnehmer des Abendspaziergangs, was sie durch die Kopfhörer vernahmen. Das Bodenmikrofon wurde als erstes im Chorherren-Rebberg neben einem Rebstock in die trockene Erde gesteckt, und einer nach dem anderen durfte am abschüssigen Hang ein Ohr voll nehmen. «Es klingt, als ob Möbel in einer Wohnung herumgeschoben würden» war ein weiterer Eindruck – oder «wie Steine, die eine Schlucht herabkullern».

Bewegen, Fressen und Kommunizieren

Michiel Hartman vom Naturnetz Pfannenstil (NNP) stellte Nicole Blasko von der Stiftung Biovision vor, die das «Sounding-Soil-Mikrofon» zum Abendspaziergang mitgebracht hatte. Sounding Soil ist ein interdisziplinäres Forschungs-, Sensibilisierungs- und Kunstprojekt, in dem die Akustik von Bodenökosystemen untersucht wird. Eingeladen worden war es vom Naturnetz Pfannenstil im Rahmen der alljährlichen Sommerveranstaltungen, die jeweils unter dem Titel «Natur pur vor der Haustür» in der Region durchgeführt werden.

«Der Boden gibt viel mehr her, als man denkt», sagte Nicole Blasko und erklärte, dass das Mikrofon die Bodengeräusche 1000-fach verstärkt, so dass die Besucherinnen und Besucher folgendes zu hören bekamen: Eine Mischung aus Springschwänzen, Milben, Doppelfüssern, Käfern, Asseln, Fliegenlarven, Regenwürmern, Spinnen, Heuschrecken, Zikaden und Bärtierchen. Die meisten der Lebewesen machen Geräusche, wenn sie sich durch den Boden bewegen oder wenn sie fressen, einige nutzen den Boden aber auch, um miteinander zu kommunizieren.

Unterschiedlich laute Böden

Interessant: Je unterschiedlicher und zahlreicher die Geräusche an einer Stelle sind, desto vielfältiger ist auch die dortige Bodenfauna, was man oft auch schon daran erkennen kann, wie abwechslungsreich die Pflanzen an dieser Stelle wachsen. Konkret ist in einem stark gedüngten Boden mit Monokultur viel weniger «Action» als in einem Biogarten.

Davon konnten sich die Besucherinnen und Besucher persönlich überzeugen, denn nach Rebberg und Böschung konnte der Familiengarten von Theres Waltl mit dem Mikrofon belauscht werden. Das Gartenareal Chorherren ist ein Paradies nicht nur für die, die dort ihr Gemüse und ihre Blumen pflanzen, sondern offenbar auch für die Bodentiere – unter Theres Waltls Farn und in ihrem Gemüsebeet war jedenfalls akustisch einiges los.

Auch Gemeinderätin Marzena Kopp als Vertreterin der Gemeinde hörte sich quer durch Meilens Böden und konnte sich erst noch grosszügig zeigen: Die Gemeinde übernahm die Kosten von 10 Franken pro Person.

1 Meter Boden entsteht in 10’000 bis 20’000 Jahren

Wie Nicole Blasko erklärte, wächst der Boden in unseren Breitengraden um nur gerade 0,1 mm pro Jahr. Das heisst, für die Entstehung von 1 Meter Boden braucht es 10’000 bis 20’000 Jahre. Dabei ist die oberste Schicht aus Humus besonders nährstoffreich, entsteht sie doch durch die Zersetzung und Verwitterung von Pflanzenrückständen.

Gesunde Böden haben eine sehr wichtige Funktion in der Natur: Sie filtern und speichern Wasser, bieten Lebensraum und Nährstoffe für Bodenorganismen und Pflanzen und haben erst noch die Fähigkeit, CO2 zu speichern und toxische Stoffe abzubauen. Geht es dem Boden gut, kann er sich besser an neue klimatische Bedingungen anpassen und Treibhausgase reduzieren.

Problematisch für Böden sind intensive Forst- und Landwirtschaft, Monokulturen, mineralische Dünger, synthetische Pestizide und auch der häufige Einsatz schwerer Maschinen. Dazu kommt die Erosion wegen Unwettern und Überschwemmungen. Gegensteuern kann hier der Mensch beispielsweise durch weniger Fleischkonsum und weniger Food Waste.

Selber ein Mikrofon ausleihen

Tatsächlich, nachdem man das Leben in der Erde sozusagen live belauscht hat, nimmt man den Boden unter seinen Füssen anders und bewusster wahr. Wer möchte, kann deshalb ein Sounding-Soil-Gerät für eine Woche gratis ausleihen und selber in den Boden hören oder die Bodengeräusche sogar aufnehmen (Infos dazu: www.soundingsoil.ch/mitmachen/).

www.soundingsoil.ch

www.naturnetz-pfannenstil.ch

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