Amtliches, obligatorisches Publikationsorgan der Gemeinde Meilen
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Brisantes Stück auf der HeuBühne

Das Atelier Theater Meilen zeigt mit «Gott» ein Stück von grosser gesellschaftlicher Brisanz: Darf ein gesunder Mensch auf eigenen Wunsch mit Sterbehilfe aus dem Leben scheiden? Die Antwort auf diese Frage liefert das Publikum am Ende der Vorführung. Heute vor einer Woche war Premiere.

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Elisabeth Gärtner will sterben. Sie ist nicht krank und dennoch möchte sie nicht mehr weiterleben. Nach dem Tod ihres Mannes vor drei Jahren hat sie jegliche Lebensfreude verloren. Sie will nur noch eines: endlich nicht mehr sein. Ihre Ärztin weigert sich das Rezept für das Sterbemittel auszustellen und so bringt Elisabeth Gärtner ihren Fall vor einen Ethikrat.

Auf der Bühne sitzen die acht Schauspielerinnen und Schauspieler auf Stühlen, die zu einem Quadrat angeordnet sind, und werden auf drei Seiten vom Publikum flankiert. Dieses gehört, sozusagen als stiller Teilnehmer, ebenfalls zum Ethikrat. Fachleute aus dem medizinischen, juristischen und theologischen Bereich legen ihre jeweiligen Meinungen zum umstrittenen Thema der Sterbehilfe dar. Nacheinander kommen sie alle ausführlich zu Wort, dürfen ihre Sicht der Dinge darlegen, die einander zum Teil vollkommen widerspricht. Mittendrin sitzt die Person, um die es geht, Elisabeth Gärtner, unterstützt von ihrem Anwalt. Am Ende – nach allen Ausführungen, aber hoffentlich mit neuen Einsichten – steht immer noch die gleiche Frage im Raum: Darf Elisabeth Gärtner sterben?

Die perfekte Besetzung

Udo van Ooyen, der Regisseur des Stücks, hat das bekannte Werk des deutschen Autors und Juristen Ferdinand von Schirach auf Schweizer Verhältnisse übertragen und aktualisiert. «Gott» ist ein textlastiges Stück, das dem Schauspielerensemble viel abverlangt. Es gibt keine rasante Handlung, kein spektakuläres Bühnenbild, ja nicht mal Requisiten, die vom Inhalt ablenken würden. Und der intime Rahmen der HeuBühne lässt keine Distanz zum Publikum zu, hinter der sich die Schauspielerinnen und Schauspieler verstecken könnten.

Das ist auch nicht nötig, denn van Ooyen hat alle Figuren perfekt besetzt. Rosmarie Naef strahlt als Juristin mit jedem Wort Glaubwürdigkeit und Kompetenz aus. Peter Bäumler besticht als eloquenter Anwalt von Elisabeth Gärtner durch sein inneres Feuer und sein makelloses Timing. Heinz Bösch überzeugt als in die Enge getriebener Bischof, dem die sachlichen Argumente ausgehen, der aber tief in seinem Innersten davon überzeugt ist, dass das Leben heilig ist. Und Annegret Trachsel gelingt es, die Verzweiflung von Elisabeth Gärtner ohne Pathos und ohne viele Worte, sondern vielmehr mit ihrer Haltung, Mimik und Gestik zu vermitteln.

Die Inszenierung von «Gott» packt und bewegt, was nicht nur am Ensemble, sondern auch am grossartigen Text liegt. Es ist ein Text, der viele Fragen aufwirft.

Publikum muss Stellung beziehen

Wie weit darf die Selbstbestimmung eines mündigen Bürgers gehen? Wer darf Gott spielen und entscheiden – ist es die Medizin, die Kirche, der Staat oder die betroffene Person selbst? Gegen Ende des Abends, nachdem alle Argumente angehört wurden, muss das Publikum Stellung beziehen und darüber abstimmen, ob Elisabeth Gärtner sterben darf oder weiterleben soll. Wie würden Sie entscheiden?

«Gott» auf der HeuBühne im Atelier Theater, General-Wille-Strasse 196, Feldmeilen. Spielplan und Vorverkauf über www.ateliertheater-meilen.ch oder telefonisch unter 077 432 90 41 (Combox).

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