- Kolumne
- Beni Bruchstück
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Neulich sass ich in der Bar und trank ein Bier, als sich Roger dazugesellte. «Das beeindruckt mich schon», sagte er, «wie viele Menschen hier in Meilen Flüchtlinge aus der Ukraine aufnehmen.» – «Ja, das ist wirklich schön», entgegnete ich.
«Auch finde ich es eine gute Sache», fuhr ich fort, «dass es die Möglichkeit des Schutzstatus S gibt und die geflüchteten Ukrainerinnen sogleich arbeiten dürfen». – «Gilt der eigentlich nur für Menschen aus der Ukraine?» – «Meines Wissens schon.» – «Und was ist mit den Russen, die mit Putins Krieg nicht einverstanden sind und deshalb ihr Land verlassen müssen?» – «Hm. Gute Frage. Habe nie was davon gehört.» – «Wäre aber eigentlich nur fair. Zudem gibt es bei uns bestimmt auch Flüchtlinge aus Syrien.» – «Natürlich.» – «Und die sind unter Umständen vor denselben russischen Bomben geflohen wie die Ukrainerinnen, müssen aber jahrelang auf einen Bescheid für ihr Asylgesuch warten.» – «Ich weiss, was du meinst», sagte ich, «und im Grunde hast du recht. Aber die haben halt eine andere Hautfarbe und kommen von weiter her.» – «Das sind doch genauso Menschen, die Schutz brauchen», wandte Roger ein. «Einverstanden», sagte ich. «Trotzdem sind uns die Ukrainer näher. Sie haben dieselbe Religion und kommen aus demselben Kulturkreis wie wir.»
Roger blieb hartnäckig und sagte: «Das ändert nichts daran, dass Syrer ebenso Menschen sind.» – «Wenn zwei Menschen das gleiche widerfährt, ist es eben nicht zwingend dasselbe», versuchte ich die Situation auch mir selbst zu erklären. «Das ist ebenso wahr wie ungerecht», antwortete Roger darauf. Wir nippten an unseren Gläsern. Dann sagte ich: «Weisst du, ich glaube, unsere Angst spielt dabei eine grosse Rolle. Es bedroht uns einfach mehr, wenn Putin in Europa einen Krieg vom Zaun bricht.» – «Also solidarisieren wir uns eher mit Menschen, die das erleben, wovor wir uns fürchten», ergänzte Roger. «Ich denke schon», bestätigte ich und legte mein Geld auf den Tresen.
«Gerecht ist das nicht.» Roger blieb dabei. Und ich konnte ihm nur recht geben. «Trotzdem», hielt ich fest, «ist es ein gute Sache, dass wir den Menschen aus der Ukraine helfen.» – «Da hast du auch wieder recht.» – «Mach’s gut!», sagte ich zu Roger, und Jimmy rief ich zu: «Dann bis nächste Woche!» – «Bis nächste Woche!» tönte es vom anderen Ende der Bar zurück, als ich in die Nacht hinaus trat.
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