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- Karin Aeschlimann
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Mit Paukenwirbel, wuchtigem Bläsereinsatz und sattem Streicherklang begrüsste das Sinfonie Orchester Meilen vergangenen Freitag das zahlreich erschienene Publikum zum traditionellen Winterkonzert in der Kirche Meilen.

Die Ouvertüre in e-Moll der französischen Komponistin Louise Farrenc von 1834 war der glanzvolle Auftakt zu einem Abend mit vielen emotionalen Höhepunkten. Das Orchester unter der Leitung von Konradin Herzog spielte das eingängige Werk beschwingt und präzis, zupackend bei den dramatischen, geschmeidig bei den lyrischen Stellen.
Romantik pur
Steht die Ouvertüre noch ganz in der Tradition der Wiener Klassik, ist die im gleichen Jahr entstandene Sinfonie mit Solo-Bratsche «Harold en Italie» von Hector Berlioz Romantik pur. Harold ist kein strahlender Held, verträumt und einsam wandelt er durch die Orchesterwelt. Der Auftraggeber, kein Geringerer als Niccolò Paganini, war vom Manuskript enttäuscht und spielte den Solopart nie.
Philomène Incici, die 25-jährige Solistin des Abends, kann dies nachvollziehen: «Viele lange Noten, Begleitfiguren, keine virtuosen Passagen – ‚Harold’ ist kein Virtuosenstück, für uns Bratschisten aber die schönste Klangstudie überhaupt.»
In dieser «Klangstudie» behält das Symphonische die Oberhand, für ein brillantes Solokonzert taugt ein melancholischer Träumer nicht. Die Solobratsche, die Harold verkörpert, steht selten im Vordergrund, reagiert vor allem auf die Ereignisse im Orchester. Mit warmem Cantabile gestaltete Philomène Incici die Partien, wo Harold sich ins Spiel bringt. Besonders ausdrucksvoll im ersten Satz, «Harold in den Bergen», mit dem ihm eigenen Motiv, das sich durch das ganze Werk zieht. So wie Harold als Beobachter selten Anschluss an die Gesellschaft findet, hatte an diesem Abend die Solostimme gegen das üppig instrumentierte Orchester einen schweren Stand, was den Hörgenuss aber keineswegs schmälerte.
Wie aus einer anderen Welt
Im zweiten Satz taucht ein Pilgerzug aus fernen Pianissimo-Gefilden auf, an diesem Abend allerdings in einem sportlichen Mezzoforte. Die Bratsche begleitete den canto religioso mit scharf artikulierten Arpeggien, die einen flirrenden Schleier über den Choral legten und eine fast mystische Atmosphäre erzeugten. Das subtil musizierende Orchester begleitete den leiser werdenden Abendgesang in eine fast andächtige Stille.
Zuletzt gerät Harold unter die Räuber. Der «Orgie de Brigands» setzt Harold seine Erinnerungen an Erlebnisse aus den vorherigen Sätzen entgegen. Noch einmal kam das Publikum in den Genuss der wohlklingenden Melodien, bevor Harold dem wüsten Treiben entflieht – und die Solistin im Orchester Platz nahm. Bevor die Orgie in einem furiosen Finale des gross aufspielenden Orchesters triumphierte, ertönte wie aus einer anderen Welt nochmals das Abendgebet der Pilger, beseelt musiziert von einem Streichertrio im hinteren Teil der Kirche.
Technische Brillanz und gefühlsmässige Intensität
Überwältigt von der emotionalen Wucht dieses Werks spendeten die Zuhörerinnen und Zuhörer frenetischen Beifall für die beeindruckende Leistung von Solistin, Orchester und Dirigent.
Mit der Zugabe, dem (Paganini gewidmeten!) «Capriccio» des belgischen Komponisten und Violinvirtuosen Henri Vieuxtemps, stand Philomène Incici am Schluss ganz im Vordergrund und begeisterte das Publikum nochmals mit technischer Brillanz und emotionaler Intensität.
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