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Neulich sass ich in der Bar und trank ein Bier. «Ich fühle mich wohl hier», sagte ich zu Roger, als wir anstiessen.
«Jimmy ist ein guter Gastgeber.» Roger sah das ebenso und meinte: «Ja, hier ist man stets willkommen.» – «Am vergangenen Wochenende habe ich jemanden aus Nigeria kennengelernt, da haben wir uns über Gastfreundschaft ausgetauscht.» – «Und was hat er gemeint?» – «Zunächst habe ich gelernt, dass es für einen Afrikaner sehr fremd ist, dass wir zum Beispiel Hochzeiten feiern und anschliessend mit den ‘geladenen Gästen’ separat weiterfeiern. So etwas kennen die nicht. Wenn gefeiert wird, feiert man mit allen, die kommen können. Punkt.» – «Das ist halt eine Geldfrage. Und eine Platzfrage», gab Roger zu bedenken. «Das Geld ist in Nigeria insofern kein Problem, als man von einem einfachen Essen einfach sehr viel macht. Und dann hat’s, solange es hat,» erklärte ich und fuhr fort: «Und Platz haben sie auch immer genug, denn die Feier findet draussen statt. Die Sonne scheint dort eben zuverlässiger als hier.» – «Das sind ganz andere Voraussetzungen», bestätigte Roger. «Und dann hat er mir noch den Begriff ‘Obuntu’ erklärt. Der ist dort sehr wichtig. – «Und was bedeutet der?», fragte Roger pflichtschuldigst, als ich nicht weitersprach. «Obuntu steht für Menschlichkeit und Nächstenliebe, für eine Grundhaltung von Respekt und Anerkennung.» – «Also ein sehr zentraler Begriff», meinte Roger. «Genau. Mein Gesprächspartner hat ihn mit ‘Ich bin, weil wir sind’ übersetzt. Und das gefällt mir. Der Einzelne lebt von der Gemeinschaft, und die Gemeinschaft vom Einzelnen.» – «Das klingt wirklich schön», sagte er und wandte sich zu Jimmy: «Noch zwei, bitte.» – «Scheint dich nicht sehr zu interessieren», sagte ich. «Im Gegenteil! Da kann man viel lernen. Und ich bin nun dir gegenüber gastfreundlich und lade dich heute ein.» – «Danke, sehr freundlich!» – «Naja, ich kann diese Abende nur geniessen, weil wir sie zusammen erleben.» – «Du lernst tatsächlich schnell», sagte ich darauf und stiess mit ihm an. Schliesslich verabschiedete ich mich und sagte zu Jimmy: «Bis in einer Woche!», und er antwortete: «Bis nächste Woche.» Ich trat nach draussen, die Nacht war schon recht kühl. Ich zog den Kragen hoch und dachte, es hat schon was. Das Bier schmeckt einfach besser, weil wir es gemeinsam geniessen.
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